Wie setzt sich der Stromtarif in der Grundversorgung zusammen?
Der Stromtarif besteht aus drei Elementen: Erstens dem Preis für die Energie (circa 35 Prozent), den Kosten für die Netznutzung (etwa 45 Prozent) und drittens den Abgaben an das Gemeinwesen und den staatlichen Förderabgaben. Die Netznutzungskosten umfassen hauptsächlich Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie Ausbau- und Erneuerungsinvestitionen in die Netzinfrastruktur. Ebenfalls enthalten sind die Kosten für die Messung und Abrechnung des Strombezugs sowie die Nutzung des Verteilnetzes – einschliesslich des Übertragungsnetzes der nationalen Netzbetreiberin Swissgrid. Die Abgaben an das Gemeinwesen und die staatlichen Förderabgaben werden durch die Gemeinden beziehungsweise den Bund festgelegt.
Welchen Einfluss haben Tages- und Jahreszeiten auf Stromangebot und -nachfrage?
Im Winter sind die Marktpreise für Strom allgemein höher als im Sommer. Das liegt daran, dass das Stromangebot in den kalten und dunkleren Monaten tiefer ausfällt, weil zum Beispiel die Flüsse weniger Wasser führen und die Sonne nicht so häufig und lange scheint. Insbesondere Laufwasserkraftwerke und Solarpanels produzieren dann weniger Strom. Dem gegenüber steht ein erhöhter Strombedarf, etwa fürs Heizen oder für Beleuchtung. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, also Wasser-, Wind- und Sonnenkraft, werden Saisonalitäten und Tageszeiten in der Stromversorgung künftig eine noch grössere Rolle spielen.
Welche Idee stand hinter der Einführung des Doppeltarifs?
In den 1980er- und 90er-Jahren haben viele Energieversorgungsunternehmen einen sogenannten optionalen Doppeltarif für die Energie und die Netznutzung eingeführt. Dessen Hintergrund war, dass die Stromproduktion in der Schweiz und in vielen anderen europäischen Ländern früher stark durch Kern- und Kohlekraftwerke geprägt war. Diese erzeugen immer etwa gleich viel Strom, weil sie grundsätzlich nicht von Tages- und Jahreszeiten oder Wetterbedingungen abhängig sind. Es kann zwar auch bei diesen Kraftwerken ausnahmsweise – zum Beispiel in Hitzeperioden respektive bei Trockenheit – zu Leistungseinschränkungen kommen. Generell liefern sie aber das ganze Jahr hindurch 24 Stunden am Tag dieselbe Menge Strom. Das Stromangebot war früher also rund um die Uhr etwa gleich hoch, die Stromnachfrage jedoch tagsüber höher als nachts. Um das Stromnetz gleichmässiger auszulasten und dadurch stabil zu halten, wollten die Energieversorgungsunternehmen einen möglichst hohen Anteil des Stromverbrauchs in die Nacht verlegen. Aus diesen Überlegungen ist auch der freiwillige Doppeltarif der BKW für die Energie und die Netznutzung entstanden: tagsüber, von 7 bis 21 Uhr, kosteten die Energie und die Netznutzung mehr (Hochtarif) als nachts zwischen 21 und 7 Uhr (Niedertarif). Die BKW hat den optionalen Doppeltarif zuletzt Privathaushalten und Gewerbekunden empfohlen, die mehr als die Hälfte ihres Stroms zwischen 21 und 7 Uhr verbrauchen – zum Beispiel Haushalten mit Elektroboilern oder Bäckereien.
Warum bietet die BKW ab 2023 in der Grundversorgung keinen Doppeltarif mehr an?
Die Energieerzeugung befindet sich im Wandel. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 des Bundes hat sich die Schweizer Bevölkerung vor über fünf Jahren für den Ausstieg aus der Kernkraft, den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz ausgesprochen. Die Bedeutung grosser, zentraler Kraftwerke nimmt in der Energiewende stetig ab, während kleine, dezentrale Produktionsanlagen wichtiger werden. Zwar bleiben insbesondere Wasserkraftwerke ein wesentlicher Pfeiler der erneuerbaren Stromerzeugung in der Schweiz. Sie decken heute rund 60 Prozent des einheimischen Strombedarfs. Jedoch liefern auch Photovoltaikanlagen immer mehr Strom – und zwar abhängig von der Jahres- und Tageszeit. Mit dem Ausbau der Solarkraft wird das Stromangebot künftig in den Sommerhalbjahren häufig mittags am grössten sein, wenn die Sonneneinstrahlung am höchsten ist. Gleichzeitig verändert sich auch das Verbrauchsverhalten. Vor allem die Elektromobilität und Wärmepumpen benötigen immer mehr Strom. All diese Faktoren beeinflussen das zeitliche Zusammenspiel von Energieangebot und -nachfrage. Wie Berechnungen der BKW zeigen, wird der Wert der Energie bereits 2025 in vielen Monaten mittags ähnlich tief oder sogar tiefer sein als in der Nacht. Die bisherigen Tarifzeitfenster – also von 7 bis 21 Uhr Hochtarif und von 21 Uhr bis 7 Uhr Niedertarif – passen also nicht mehr.
Weshalb ändert die BKW nicht einfach die Zeitfenster für den Hoch- und Niedertarif in der Grundversorgung?
BKW könnte die Zeitfenster für den Hoch- und Niedertarif verschieben, sodass beispielsweise im Sommerhalbjahr tagsüber – wenn Solarpanels viel Strom produzieren – der Niedertarif gilt und nachts der Hochtarif. Auf den ersten Blick mag eine solche Anpassung der Tarifzeitfenster logisch und richtig erscheinen.
Der Doppeltarif hat jedoch noch andere Nachteile: Die Energiewende verändert nicht nur den Wert der Energie im Tagesverlauf, sondern auch die Anforderungen an das Stromnetz – es geht also sowohl um die Energie als auch um das Netz. Denn die Stromerzeugung verlagert sich zunehmend von zentralen Anlagen zu dezentralen «Prosumern». Das sind Parteien, die sowohl selbst Strom produzieren («Producer») als auch Strom verbrauchen («Consumer») – zum Beispiel eine Hauseigentümerin, die auf ihrem Dach Solarpanels installiert hat und damit ihr Elektroauto auflädt. Den Solarstrom, den die Betreibenden von Photovoltaikanlagen nicht selbst brauchen, können sie ins Stromnetz einspeisen (mehr dazu erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag).
Das hat Auswirkungen auf das Stromnetz. Dieses ist heute noch nicht darauf ausgelegt, ständig Stromeinspeisungen von «überallher» aufzunehmen. Gleichzeitig führt auch die steigende Elektrifizierung des Verkehrs und der Wärmeerzeugung zu einer neuartigen Netzbelastung: Es gibt immer mehr Ladestationen für Elektroautos, mit immer grösserer Leistung. Und das Aufladen all dieser Elektrofahrzeuge passiert immer häufiger gleichzeitig – vor allem am Feierabend und in der Nacht, wenn das Auto daheim in der Garage steht. Fixe Tarifzeitfenster wie beim Doppeltarif können dieses Problem verschärfen: Wenn nur wenige Elektromobile um 21 Uhr zu laden beginnen, ist das noch kein Problem. Wenn jedoch zehntausende Autos gleichzeitig mit der Ladung starten, führt dies zu enormen Lastspitzen und zu Spannungsproblemen im Stromnetz.
Langfristiges Ziel sind dynamischere Tarifmodelle, die den Energiewert im Verlaufe des Tages besser abbilden und auch für die Netznutzung die richtigen Anreize setzen. Von solchen Energietarifen profitieren Kundinnen und Kunden, indem sie ihren Verbrauch und damit ihre Energiekosten flexibler steuern können.
Wann wird die BKW bereit sein für dynamische Tarifmodelle?
Für solche neuen, anreizwirksamen Tarifmodelle ist zuerst eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen, sprich der Stromversorgungsverordnung, nötig. Auch die technischen Voraussetzungen für die Messung und Steuerung des Stromverbrauchs müssen gegeben sein: Im Jahr 2024 startet die BKW den flächendeckenden Einbau von elektronischen Elektrizitätszählern, sogenannten Smart Metern. Insgesamt tauscht die BKW bis Ende 2028 über 400'000 Zähler aus. Dank Smart Metern kennen Kundinnen und Kunden künftig ihr Verbrauchsverhalten, können Energieeffizienzmassnahmen ergreifen, deren Wirkung überprüfen und weiter optimieren. Weitere Informationen zu den Smart Metern gibt es hier.