Miriam Dall’Agnolo legt den Kopfhörer zur Seite und empfängt die Besucher: «Willkommen in unseren neuen Büros – treten Sie ein.» Die Bernerin arbeitet als Head Office Management in der auf nachhaltige Entwicklungsfinanzierung spezialisierten Asset-Managing-Firma responsAbility. In den vergangenen Jahren war sie aber auch als betriebsinterne «Bauherrin» engagiert. Dall’Agnolo war beim Ausbau der neuen Büroräumlichkeiten in der Gleisarena an der Zollstrasse beim Zürcher HB die wichtigste Ansprechperson für alle beteiligten Firmen und Fachkräfte. «Die Frau für alle Fälle», wie sie lachend sagt.
Unter Beteiligung der BKW-Tochterunternehmen enerpeak ag (für Elektroengineering), ahochn (Engineering für Heizung, Lüftung, Klimakälte- und Sanitärinstallationen) sowie lightpeak by enerpeak (für die Lichtplanung) ist eine moderne und innovative Büroumgebung entstanden. Sie wird den höchsten Ansprüchen gerecht, optimiert mit der ganzen Bandbreite der technologischen Möglichkeiten den Raumkomfort und schafft ein Umfeld, das den Angestellten sowohl ein hocheffizientes Arbeiten ermöglicht als auch den Raum für Ablenkung und Erholung bietet. Dem Besucher sticht vor allem der Tischtennistisch im Zentrum des vierten Geschosses ins Auge. Dall’Agnolo erklärt: «Pausenkultur ist im Büroalltag wichtig. In jedem Firmensitz steht ein Tischfussballkasten zur Verfügung. In Zürich sind wir auf Pingpong umgeschwenkt.»
Heute bleiben Schläger und Bälle aber im Schrank. Anlässlich eines bilanzierenden Roundtable-Gesprächs versammeln sich Oliver Stoll, der Projektleiter Elektroplanung der enerpeak ag, Bruno Crivelli, der Leiter Licht der enerpeak ag, Philipp Oberer, der CCO des verantwortlichen Innenarchitekturbüros offconsult raumkonzepte, und Dall’Agnolo, die Projektleiterin der Bauherrschaft, zu einer Bestandsaufnahme zwei Monate nach dem Bezug der neuen Arbeitsräume.
Tisch verloren, ganzes Büro erhalten
Sonst sind die grosszügig angelegten Büros weitgehend leer – aufgrund der Pandemie arbeiten von der Totalbelegschaft von 130 Leuten nur rund zehn Prozent vor Ort. Dies sei mehr als nur eine Momentaufnahme, sagt Projektleiter Oberer – und spricht von «nonterritorialen Arbeitswelten» als Modell der Moderne: «Man verliert einen Tisch, aber man erhält ein ganzes Büro. Mobilität und Digitalisierung haben alles verändert – schon vor der Pandemie. Corona hat diesen Prozess beschleunigt.»
Am Anfang des Bauprojekts in der Gleisarena stand eine mehrmonatige Workflowanalyse. Oberer erklärt: «Dabei geht es darum, die strategischen, kulturellen und operativen Rahmenbedingungen in einem Betrieb zu definieren.» Um diese Erkenntnisse herum werden die Büros geplant.
Passendes Licht und Klima
Die infrastrukturelle Basis lieferte Elektroplaner Stoll: «Letztlich hängen alle Systeme vom Strom ab: Lüftung, Heizung, Lichtmanagement.» Die Raumtemperatur beispielsweise wird über eine Kühlheizdecke reguliert. Das Ziel ist es, dass während des ganzen Jahres das gleiche Klima herrscht – mit Temperaturen zwischen 19 und 24 Grad. Der Luftkreislauf ist in sich geschlossen, von aussen wird dem System aber gleichwohl frische Luft zugeführt.
In der Temperaturregulierung spielt der Sichtbeton eine entscheidende Rolle. Denn er kühlt in der Nacht ab – und gibt während des Tages einen Drittel dieser Kälte wieder ab. So ist in den responsAbility- Büros die Bausubstanz ebenso sichtbar wie die Haustechnik. Das moderne Design verleiht diesen Komponenten ein avantgardistisches Flair.
Ein entscheidender Faktor im Raummanagement ist die Tageslichtregulierung. Ins Auge stechen vor allem die grossen Fenster – von der Decke bis zum Boden. Lichtplaner Bruno Crivelli sagt dazu: «Die Lichtverhältnisse schaffen optimale Bedingungen für den menschlichen Serotoninhaushalt (quasi den Wachmacher). Dadurch wird das Wohlbefinden der Mitarbeitenden gesteigert.» Mit anderen Worten: Die Lichtstimmung wird automatisch der Tageszeit und den natürlichen Verhältnissen angepasst.
Und wohin geht der Trend in der Bürokultur? Pandemiebedingt weiter ins Homeoffice oder zurück in Einzelbüros? Oder bleibt die Grossraumkultur dominierend? Spätestens hier interveniert Innenarchitekt Philipp Oberer: «Bei uns heisst das Multispace-Arena mit verschiedenen Zonen, in denen verschiedene Aktivitäten möglich sind – von Gemeinschaftstischen, Verpflegungszonen über Konferenzräume bis hin zu Kabinen, in denen Telefongespräche geführt werden können.» Und am Boden sind Teppiche verlegt – unlängst aus hygienischer Sicht noch verpönt, hat man eine alte Qualität dieses Belags wiederentdeckt: «Die Atmosphäre wird gemütlicher», sagt Oberer und weist auf die Leseecke mit Bücherregal, Fauteuil und Bistrotischchen. Der Besucher staunt, blickt fast ungläubig aus dem Fenster, wo scheinbar lautlos ein TGV in den Bahnhof einfährt – und wünscht sich insgeheim, dass seine eigene Wohnung so schön und wohnlich wäre wie dieser Bürokomplex hoch über dem Zürcher Gleisfeld.