Fakt 1: Stromsparen bedeutet Gassparen – auch in der Schweiz
Über die Reduktion des Stromverbrauchs lässt sich viel Gas sparen. Das gilt selbst für die Schweiz, die praktisch keine Gaskraftwerke hat. Im europäischen Stromsystem können grosse Mengen Strom zwischen Ländern ausgetauscht werden (Abbildung 1). Die Schweiz ist dabei besonders stark mit den Nachbarländern verbunden.
Wenn in der Schweiz weniger Strom verbraucht wird, geschieht Folgendes: Falls der gesparte Strom im Inland produziert würde, kann dieser stattdessen exportiert werden. Falls der Strom dagegen aus Importen stammte, werden diese nun nicht mehr benötigt. Beide Möglichkeiten bewirken, dass die Nutzung von Gaskraftwerken im Ausland reduziert wird.
Fakt 2: Sparen wir bei uns Strom, braucht es vor allem weniger Strom aus Gaskraftwerken
Die Erklärung, warum Einsparungen gerade Stromproduktion aus Gaskraftwerken verhindern, liegt in der Funktionsweise des europäischen Strommarktes: Der Einsatz der Kraftwerke wird jede Stunde neu auf Basis der sogenannten Merit-Order bestimmt. Diese listet die verfügbaren Kraftwerkskapazitäten in der Reihenfolge ihrer Einsatzkosten auf (Abbildung 2). In dieser Reihenfolge werden die Kraftwerke bis zur vollständigen Deckung der Nachfrage eingesetzt. Der Preis des teuersten noch benötigten Kraftwerks legt den Strompreis für diese Stunde fest. Wie in der Abbildung 2 dargestellt, sind aktuell Gaskraftwerke die teuersten Kraftwerke – weil Gas gerade Mangelware und damit sehr teuer ist. Am günstigsten sind dagegen erneuerbare Energien, gefolgt von der Kernenergie und danach von Kohlekraftwerken. Dabei gilt es zu beachten, dass hier nicht die gesamten Produktionskosten der jeweiligen Technologien relevant sind, sondern nur die Kosten für die Erzeugung einer zusätzlichen Kilowattstunde Strom.
Wenn wir nun in der Schweiz Strom sparen, sinkt die gesamteuropäische Nachfrage, und somit wird vor allem weniger Strom aus Gaskraftwerken produziert. Das Beispiel in der Abbildung zeigt Deutschland, aber das Stromnetz Europas ist sehr eng verbunden und Nachbarländer beeinflussen sich. In der Abbildung stellt ein Rückgang der Stromexporte in die Schweiz eine verminderte Nachfrage in Deutschland dar. Der Export Schweizer Stroms nach Deutschland stellt dort eine zusätzliche verfügbare Produktionskapazität dar.
Was bedeutet das in Zahlen?
Mit dem Marktmodell der BKW können wir berechnen, dass Einsparungen im Schweizer Stromverbrauch aktuell (im Jahresmittel) zu 83 Prozent Stromproduktion aus Gaskraftwerken reduzieren. Jede in der Schweiz gesparte Kilowattstunde (kWh) Strom spart daher unter Berücksichtigung der Verluste von etwa 50% bei der Stromerzeugung aus Gas 1.7 kWh Gas ein (1kWh Strom * 83% aus Gaskraftwerken / 50% Verluste = 1.7 kWh Gas – bezogen auf Brennwert von Gas). Und das funktioniert nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer. Wer jetzt Strom spart, hilft mit, die Gasspeicher Europas für den Winter zu füllen.
Stromsparen hilft also sehr stark, den Gasverbrauch in Europa zu reduzieren. Und alle können hier etwas beitragen.
Fakt 3: Mein selbst produzierter PV-Strom spart Gas
Genauso, wie sich der Gasverbrauch durch Stromsparen reduzieren lässt, passiert dies auch durch die Produktion von eigenem Strom, z. B. aus Photovoltaik (PV). Durch das grössere Angebot von PV-Strom wird in der Merit-Order zusätzliches (günstiges) Stromangebot hinzugefügt und folglich werden weniger Gaskraftwerke eingesetzt. Eine typische 10-kWp-PV-Anlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses erzeugt im Schweizer Mittel etwa 9’500 kWh Strom pro Jahr. Eine zusätzliche Stromproduktion in diesem Volumen verhindert zurzeit 6’000 kWh Stromproduktion aus Gaskraftwerken (und 1’400 kWh aus Kohlekraftwerken) pro Jahr (Bei der Stromproduktion aus Photovoltaik beträgt der Verdrängungseffekt für Strom aus Gaskraftwerken nur 63% statt 83%, da zu den Hauptzeiten der PV-Produktion seltener Gaskraftwerke eingesetzt werden.). Damit werden folglich 12’000 kWh Gas gespart. Dies entspricht etwa dem Wärmebedarf eines modernen Einfamilienhauses.
Im Gegensatz zu Stromsparmassnahmen, bei denen jeder mitwirken kann, können innerhalb eines Jahres aber nicht beliebig viele PV-Anlagen gebaut werden. Hierdurch dürfte der Einspareffekt kurzfristig sehr limitiert sein, aber er summiert sich über die Jahre auf. Daraus zu folgern, dass mit Photovoltaik die Abhängigkeit vom Gas vollständig eliminiert werden kann, wäre jedoch falsch. Diese Abschätzungen sind nur in der aktuellen Situation gültig. Je mehr erneuerbare Stromproduktion europaweit zugebaut wird, desto seltener werden Gaskraftwerke überhaupt noch zum Einsatz kommen. Hinzu kommt, dass die typischen PV-Anlagen nur rund ein Viertel ihrer Jahresproduktion im Winter erbringen (vgl. unseren Blogbeitrag zur Winterversorgung mit PV). Beides führt dazu, dass der beschriebene Verdrängungseffekt mit jeder zusätzlich installierten PV-Anlage etwas kleiner wird.
Fakt 4: Die Reduktion der Raumtemperatur hat einen grossen Gasspareffekt
Es wird in letzter Zeit häufig erwähnt und darf hier auch nicht fehlen: Die Wohnungstemperatur zu reduzieren, hat einen grossen Effekt auf den Energieverbrauch der Heizung. Der jeweilige Effekt hängt dabei von der Art der Heizung und des Hauses ab. Für ein Einfamilienhaus mit Wärmepumpe und Fussbodenheizung lässt sich exemplarisch sagen: Die Reduktion der Wohnungstemperatur von 21°C auf 20°C spart gemäss Modellierung der BKW 9 Prozent des Strombedarfs ein, bei 19°C nochmals 8.9 Prozent, bei 18°C nochmals 8.6 Prozent. Die Einsparungen beim Stromverbrauch der Wärmepumpe übersetzen sich dann zu 94 Prozent in Reduktion der Stromproduktion aus Gaskraftwerken (Das Verbrauchsprofil der Wärmepumpen ist zeitlich stärker mit der Stromproduktion aus Gaskraftwerken verknüpft, weshalb hier der Strom zu 94% aus Gaskraftwerken stammt.). Jede eingesparte kWh Strom spart hier aktuell zwei kWh Gas ein. Wenn das Haus mit Gas geheizt wird, können sich ähnliche prozentuale Einsparungen ergeben, die sich direkt im geringeren Gasverbrauch niederschlagen.
Fakt 5: Die Heizung zu ersetzen ist zwar kurzfristig schwierig, aber langfristig wichtig
Neben den Sparmassnahmen kann man auch die eigene Heizung ersetzen. Hier ist die Sache bezüglich Gassparen aber aktuell (!) nicht ganz so einfach wie bei einer PV-Anlage:
Wenn man seine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt, senkt man den direkten eigenen Gasverbrauch, erhöht aber den Gasverbrauch der Stromproduktion. Hier entscheiden die Effizienzen, welcher Effekt grösser ist: Eine Wärmepumpe heizt, indem sie unter Einsatz von Strom der Umgebung Wärme entzieht und für die Raumwärme nutzbar macht. Dabei kann sie viel mehr Wärme bereitstellen, als sie Strom verbraucht. Die relevante Kenngrösse ist hier die sog. Jahresarbeitszahl. Je nach Wärmepumpentyp und Standort liegt diese Zahl typischerweise zwischen 3 und 4. Das bedeutet, dass die 3- bis 4-fache Menge Wärme aus dem eingesetzten Strom bereitgestellt wird. Bei neuen und sehr effizienten Anlagen kann dies auch noch mehr sein. Verknüpft mit der Effizienz eines Gaskraftwerkes von etwa 50 Prozent bedeutet dies, dass eine mit Strom aus Gaskraftwerken versorgte Wärmepumpe weniger Gas benötigt als eine Gasheizung (etwa 35 bis 50 Prozent weniger). Eine verbesserte Gebäudedämmung reduziert den Energieverbrauch zusätzlich.
Wie bei der PV-Anlage gilt auch hier, dass nicht beliebig viele Wärmepumpen in einem Jahr installiert werden können und der kumulierte Spareffekt daher kurzfristig geringer ist als das Potenzial von Sparmassnahmen, sich aber langfristig aufsummiert. Zusätzlich wird durch den stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa auch die Bereitstellung von Strom immer weniger von fossilen Energieträgern abhängig. Die Klimabilanz jeder Wärmepumpe verbessert sich also über die Zeit.
Und wie sieht es aus mit dem Ersatz einer Ölheizung?
Wenn man noch eine Ölheizung besitzt, steht man allerdings vor einem Dilemma. Für die Treibhausgasemissionen ist ein Ersatz durch eine Wärmepumpe sehr sinnvoll: Der zusätzliche Gasverbrauch in der Stromerzeugung für die Wärmepumpe führt zu deutlich geringeren Emissionen als die Ölverbrennung in der Heizung. Allerdings ist dieser Schritt für den nächsten Winter kontraproduktiv für die Versorgungssicherheit mit Gas. Unter diesem Gesichtspunkt wäre daher eine Verschiebung der Umstellung um ein bis zwei Jahre eine Option, bis Europa eine Gasversorgung ohne Bezug aus Russland sichergestellt hat. Falls die Heizung aber wirklich jetzt ersetzt werden muss, sollte man dennoch über eine Wärmepumpe nachdenken, anstatt weitere 20 Jahre mit Öl zu heizen. Installiert man gleichzeitig auch noch eine neue PV-Anlage, kann man den zusätzlichen Gasverbrauch – wie oben aufgezeigt – ebenfalls ausgleichen.
Fakt 6: Ein elektrischer Heizkörper anstelle einer Gasheizung erhöht den europäischen Gasverbrauch stark
Aktuell werden offenbar viele elektrische Heizkörper verkauft, mit denen sich manche versprechen, im Falle einer Gasrationierung ihr Haus weiterhin heizen zu können. Dies würde die Lage aber noch weiter verschärfen: Der zusätzliche Stromverbrauch würde durch Gaskraftwerke ausserhalb der Schweiz zur Verfügung gestellt werden müssen, die wiederum durch die Energieverluste bei der Stromerzeugung doppelt so viel Gas benötigen, wie die einfache Gasheizung verbrauchen würde. Solches Verhalten würde also den Gasverbrauch in einer Versorgungskrise noch weiter erhöhen und damit stark dazu beitragen, dass es auch noch zu einer Strommangellage in Europa kommt. Dieser könnte sich auch die Schweiz mit ihrer Importabhängigkeit im Winter nicht entziehen.
Fazit: Alle können und sollten mithelfen – im eigenen Interesse
Die Abhängigkeit von russischem Gas gefährdet die europäische Energieversorgung und diese kritische Situation wird mindestens noch kommenden Winter anhalten. Jede eingesparte Kilowattstunde Gas hilft, diese Abhängigkeit zu reduzieren und bald zu überwinden. Die Schweiz kann sich dem nicht entziehen. Sie ist genauso abhängig von Gasimporten. Daher sollte es in unserem eigenen Interesse sein, diese Abhängigkeit durch Reduktion des Stromverbrauchs und somit Gasverbrauchs, so gut es geht, zu reduzieren. Beitragen kann jede und jeder, sei es durch die Reduktion des Heizverbrauchs oder eben auch durch Stromsparen. Neben dem Plus für die Versorgungssicherheit reduziert dies auch die eigenen Energiekosten und senkt die Grosshandelspreise für Strom und Gas. Davon profitieren wiederum die Unternehmen und die ganze Gesellschaft.