Höhenangst? Das ist ein Begriff, der im Wortschatz von Pierre Berger nicht vorkommt. «Ich bin auch Gleitschirmflieger, von daher …», sagt der 62-Jährige und schmunzelt. Eigentlich ist Pierre Berger Milchbauer. Nebenberuflich amtet er jedoch als Besucherführer auf dem Mont-Soleil. Dort steht das Windkraftwerk Juvent, das grösste seiner Art in der Schweiz. So nebenbei hat sich Berger aber auch noch zum Servicetechniker für Windturbinen ausbilden lassen. «Offiziell heisst es Mühlenwart», klärt er auf.
Ein wirklich spannender Job: «Wir haben drei verschiedene Turbinentypen und insgesamt 16 Windenergieanlagen. Bei der grössten hat der Rotor einen Durchmesser von 112 Metern.» Zum Vergleich: Ein Fussballfeld in der Schweiz misst in der Länge 105 Meter. «Manche Teile der Windturbinen wiegen zudem 70 Tonnen», erzählt der Fachmann weiter. Bei der Montage dürfe man daher nicht pressieren, sonst könne es gefährlich werden.
Berger ist seit der Eröffnung des Windparks im Jahr 1996 im Einsatz und erlebte die Errichtung der Windturbinen hautnah. «Zu sehen, wie der Kran die Teile in die Höhe zog, war sehr eindrücklich», erinnert er sich. Einmal zusammengesetzt, hat die grösste Turbine eine Höhe von 150 Metern, sofern die Rotorblattspitze nach oben zeigt. Die kleineren Modelle sind 140 Meter hoch und verfügen über einen Rotordurchmesser von 90 Metern.
Wenn Pierre Berger diese Riesen warten muss, ist er jeweils mit einem Partner unterwegs. Dabei sind beide stets gut gesichert. In der Mittagspause hat er einen Lieblingsort: «Zuoberst auf der Anlage, dort kann ich die wunderbare Aussicht geniessen!»
Besucherinnen und Besucher dürfen aus Sicherheitsgründen jedoch nicht bis ganz nach oben. Allerdings können auch sie das Innere der grössten und mit einem Gewicht von 410 Tonnen schwersten Anlage besichtigen. Pierre Berger erklärt dabei alle wichtigen Details und beantwortet gerne auch Fragen. Zum Beispiel zur erzeugten Energie. «Der Windpark Juvent hat im Jahr 2023 ausserordentlich 91 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Damit könnten rund 20 000 Haushalte versorgt werden.» Oder zum Vorteil der Windkraft. «Wind ist eine endlose natürliche Kraft, die wir zur Energieproduktion nutzen können.»
Bei schlechtem Wetter gibts viel Strom
Eine Windanlage produziere bei schlechtem Wetter ausserdem mehr Strom als bei schönem Wetter, verrät Pierre Berger weiter. Das treffe sich gut. «Denn bei schlechtem Wetter bleiben die meisten zu Hause und verbrauchen daher mehr Strom, etwa am Computer oder beim Fernsehen.»
Dass zwischendurch auch kritische Fragen kommen, versteht sich von selbst. «Manche finden die Windturbinen schön und majestätisch, andere sehen sie als Fremdkörper in der Landschaft. Aber das sind Skilifte, Strassen und Häuser auch», sagt Berger. Seine Meinung ist klar: «Wenn wir Energie nutzen wollen, müssen wir auch akzeptieren, dass sie irgendwo hergestellt wird.» Wichtig sei ausserdem, dass die Energieversorgung im Inland sichergestellt sei. Schliesslich würden wir viel Energie benötigen. «Der Energiekonsum ist von 1950 bis heute um das Neunfache gestiegen!» Um die Energiewende zu schaffen, brauche es zudem viel Strom aus erneuerbaren Quellen.
Und wie steht es mit den Geräuschen, die Windturbinen verursachen? «Man hört sie ein bisschen, aber man gewöhnt sich daran. Nur wenn es stürmt, sind sie lauter. Aber dann ist ja niemand draussen am Sünnele, folglich stört es nicht», so Berger. Seine Kühe hätten jedenfalls keine Probleme mit den Anlagen, erzählt der Landwirt.
Wer mit Pierre Berger auf eine Führung durch das Windkraftwerk Juvent auf dem Mont-Soleil gehen möchte, hat dazu das ganze Jahr die Möglichkeit. Der Rundgang ist für Schulklassen, Familien, Vereine, Firmenausflüge, aber auch für Einzelpersonen buchbar und dauert etwa eine Stunde. Mit rund eineinhalb Stunden muss man rechnen, wenn man das Sonnenkraftwerk auf dem Mont-Soleil ebenfalls besichtigen möchte. Dieses wurde 1992 in Betrieb genommen, als grösstes in Europa. «Auch hier war ich von Anfang an als Besucherführer dabei.» Pierre Berger – ein Mann mit vielen Talenten.