Die Energiekrise scheint der Vergangenheit anzugehören. Wie sieht die Situation an der Strombörse heute im Vergleich zum Herbst/Winter 2022 aus?
Die Strompreise haben sich normalisiert, auch wenn sie sich weiterhin auf einem höheren Niveau befinden als vor der Energiekrise. Die von unserem internen Riskmanagement vorgegebenen Limiten werden im Moment klar eingehalten. Dennoch beobachten wir weiterhin eine sehr hohe Volatilität bei den Strompreisen.
Braucht es dann eine Nachfolgeregelung zum Rettungsschirm? Besteht weiterhin das Risiko von Liquiditätsengpässen, wie wir sie während der Krise gesehen haben?
Muss man damit rechnen, dass so eine Krise wieder eintrifft? Das wissen wir nicht. Das wussten wir auch bei der Krise vor zwei Jahren nicht. Die BKW war aber auch damals immer in der Lage, ihre Margin Calls, das heisst die Liquiditätsanforderungen der Börse, zu bedienen. Die BKW hatte dank ihrem ausgezeichneten Risikomanagement keine Liquiditätsprobleme. Wir haben noch im November 2022 eine neue Kreditlinie von 1.5 Milliarden Franken als Liquiditätshilfe unterzeichnet, welche wir nie gebraucht haben. Auch die Unterstützung durch den Bund war für die BKW zu keinem Zeitpunkt notwendig.
Trotzdem ist es aus Sicht der BKW richtig, den Rettungsschirm, welcher in der Krise als dringliches Bundesgesetz erarbeitet und eingeführt wurde, in einen geregelten gesetzlichen Rahmen zu führen. Dazu gehören sowohl die Reportingpflichten wie auch Regelungen zur Liquidität. Ersteres ist mit dem Bundesgesetz über die Aufsicht und Transparenz in den Energiegrosshandelsmärkten BATE bereits im Parlament und wird von der BKW unterstützt. Es ist wichtig, dass die Reportingpflichten und die Nutzung der Daten klar definiert und in Einklang mit den geltenden EU-Vorschriften sind.
Der Bundesrat schlägt die Einführung von Liquiditäts- und Eigenkapitalvorgaben vor. Wie schätzt die BKW diese ein?
Wie bereits erwähnt, unterstützen wir eine Nachfolgeregelung zum Rettungsschirm. Diese sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren. In der Energiekrise hatte die Branche ein Liquiditätsproblem, dieses muss adressiert werden. Die Liquidität ist ein kurzfristiges Thema. Ein Unternehmen kann noch so profitabel sein, wenn es nicht liquide ist, nützt dies nichts. Hier setzt das neue Gesetz richtigerweise an und gibt Vorgaben zur Liquidität und zur Governance.
Die staatliche Regulierung darf jedoch ein funktionierendes Risko- und Liquiditätsmanagement der Unternehmen nicht ersetzen. Sonst verlieren die Unternehmen die Kompetenz, selbst mit Liquiditätsrisiken umzugehen.
Und die Eigenkapitalvorgaben, wie wir es vom Bankensektor kennen, sind nicht nötig?
Nein, denn im Vergleich zu Liquiditätsvorgaben gehen Eigenkapitalvorgaben ein langfristiges Problem an. Wenn ein Unternehmen zu wenig Eigenkapital hat, dann zeugt dies von einem strukturellen Problem und nicht einer kurzfristigen Krise. Und ein solches strukturelles Problem soll der Staat nicht verhindern. Es soll weiterhin möglich sein, dass ein Stromversorgungsunternehmen Konkurs gehen kann. Dies hätte keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. Denn die Produktionsanlagen behalten auch in einem solchen Fall ihren Wert und würden auch im Konkursfall weiterproduzieren.
Die Regulierung muss folglich risikoorientiert sein, damit es seinen Zweck erfüllt und die Versorgungssicherheit verbessert. Deshalb soll es auf das Verhindern eines Liquiditätsengpasses abzielen und nicht Konkurse verhindern. Um Liquiditätsengpässe zu verhindern sind Eigenkapitalvorgaben das falsche Mittel. Darum lehnen wir eine solche Regulierung ab.
Wieso insistiert die BKW in ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung darauf, dass nur die BKW Energie AG und nicht die BKW AG als Ganzes Unternehmen als systemrelevant eingestuft wird?
Es ist essenziell, dass nur die BKW Energie AG unter das Gesetz fällt. Denn solche weitgehenden Vorschriften wie dies der Bundesrat zu Ablösung des Rettungsschirms vorsieht, müssen auf die Bereiche beschränkt werden, welche ein mögliches Problem darstellen. Das Gesetz regelt ein Risiko im Energiebereich und sollte deshalb auf die BKW Energie AG beschränkt werden. Die BKW AG umfasst aber weitaus mehr als nur Energie und hat auch ein grosses Dienstleistungsangebot im Gebäude und Infrastrukturbereich. Würden die gesetzlichen Massnahmen auf die BKW AG lauten, dann wäre auch der Dienstleistungsbereich der BKW davon betroffen, obwohl dieser nichts mit dem Strommarkt zu tun hat. Das darf nicht sein. Diesbezüglich braucht es aus unserer Sicht in diesem Punkt eine Präzisierung des Gesetzgebers.
Machen wir einen Sprung zu einer anderen Regulierungsanpassung, welche die Politik plant: Die Anpassung des Netz-WACC. Der Netz-WACC ist die Verzinsung des im Stromnetz gebundenen Kapitals.
Wieso braucht es einen WACC? Wie wäre die BKW von der vom Bundesrat vorgeschlagenen Senkung des WACC betroffen?
Der Gesetzgeber schafft mit dem WACC die Rahmenbedingungen, damit die Netzbetreiber einen angemessenen Betriebsgewinn erwirtschaften können. Die Berechnungsmethode und damit die Höhe des WACC ist politisch festgelegt und regelt die Entschädigung für das eingesetzte Kapital der BKW ins Stromnetz. Wenn der WACC wie vorgeschlagen sinkt, hat die BKW aus dem Geschäftsbereich Netze einen Netto-Geldabfluss bis 2030 und darüber hinaus. Unter diesen Gegebenheiten wären grosse Investition ins Stromnetz gefährdet.
Was ist der WACC?
Für das Kapital, das in den Stromnetzen steckt oder das in neue Stromnetze investiert wird, haben die Betreiber Anspruch auf eine Verzinsung. Diese soll die regulatorischen und politischen Risiken des im Stromnetz gebunden Kapitals angemessen abgelten. Die Behörden legen die Verzinsung mit einem durchschnittlichen kalkulatorischen Kapitalkostensatz fest, dem so genannten WACC (Weighted Average Cost of Capital).
Für 2025 beträgt der WACC für die Netze 3,98 Prozent. Der Bundesrat hat am 14. Juni 2024 eine Vernehmlassung zur Anpassung des WACC gestartet. Er schlägt eine Anpassung der Methodik vor, die ab dem Tarifjahr 2026 greifen soll. Durch die Anpassung der Methodik wäre der WACC 2025 von 3.98 Prozent auf 3.41 Prozent gesunken.
Würde die BKW unter diesen Umständen nicht mehr in den Erhalt und Ausbau ihres Stromnetzes investieren?
Doch, wir haben einen gesetzlichen Auftrag ein sicheres, leistungsfähiges und stabiles Stromnetz zu betreiben. Das fehlende Geld, das mit dem WACC generiert wird, müsste jedoch fremdfinanziert werden und die Kreditgeber erwarten ebenfalls einen angemessenen Zins. Mit einem zu tiefen WACC werden die Investitionen ins Stromnetz gefährdet, da sich mittel- bis langfristig die Frage stellt, wer diese Investitionen finanziert. Deshalb ist ein angemessener und langfristig stabiler WACC für die Investitionen ins Stromnetz entscheidend.
Wieso ist ein langfristig stabiler WACC so wichtig?
Jedes Jahr werden in der Schweiz rund 1.5 Milliarden Franken in die Stromnetze investiert, davon rund 90 Prozent in das Verteilnetz. Die Lebensdauer der Netzinfrastruktur beträgt im Durchschnitt 40 Jahre. Die langen Lebenszyklen erfordern für Investoren stabile und verlässliche Rahmenbedingungen.
Zudem wird der Investitionsbedarf in Zukunft noch weiter steigen. Die Energiewende führt zu einer Umkehr des Stromsystems. Neu produzieren wir nicht mehr zentral Energie und verteilen dies, sondern produzieren und konsumieren Strom dezentral. Diese Anpassung findet vor allem im Quartier statt und führt zu einem riesigen Investitionsbedarf in das Verteilnetz. Das bedeutet konkret: In Zukunft müssen wir noch mehr Geld in die Stromnetze investieren. Eine Senkung des WACC, welche notwendige Investitionen ins Stromnetz gefährdet, geht in die komplett falsche Richtung. Sie würde gar die Energiewende bremsen und die Versorgungssicherheit aufs Spiel setzen. Denn mit einer Senkung des WACC sind Investitionen für den dringend nötigen Umbau des Stromnetzes nicht mehr attraktiv.