Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Dieses Ziel will sie mit der entsprechenden Energiestrategie erreichen. Für die Reduktion des CO2-Ausstosses und das daraus resultierende Aufkommen von Elektroautos oder Wärmepumpen soll in die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien investiert werden. Diese Massnahmen haben alle einen Einfluss darauf, wie und wo der Strom im Stromnetz durchfliesst. Besonders gefordert ist dabei das Verteilnetz – also das lokale Mittel- und Niederspannungsnetz (Netzebenen 5-7). Die Energiewende hat zur Folge, dass der Strom nicht wie bis anhin von zentralen Kraftwerken hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern läuft, sondern auch in die andere Richtung, wenn beispielsweise eine PV-Anlage den überschüssigen Strom ins Netz einspeist. Das Verteilnetz muss dabei für den Transport in beide Richtungen genug stark sein. Doch der dafür notwendige Ausbau ist mit Verwaltungs- sowie kosten- und zeitintensiven Hürden verbunden, welche die Energiewende bremsen.
Das Bewilligungsverfahren für den Ausbau der Netzinfrastruktur dauert sehr, sehr lange
Das eidgenössische Parlament hat im Herbst 2022 den sogenannten Solarexpress beschlossen. Die Bewilligung von alpinen Solaranlagen soll von nun an schneller über den Behördentisch. Der Bau einer alpinen Solaranlage beinhaltet drei Objekte: Die Solarpanels, die Anschlussleitung für die Solaranlage und die Netzverstärkung. Bei der Solarpanels und deren Anschlussleitung trägt der Eigentümer die Projektverantwortung. Genehmigt wird die Solaranlage durch den Kanton, bei der Anschlussleitung ist das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI) auf Bundesebene für die Genehmigung zuständig. Diese beiden Verfahren wurden mit dem Solarexpress beschleunigt. Damit jedoch der produzierte Strom in das Stromnetz eingespeist sowie an die Verbraucherinnen und Verbraucher verteilt werden kann, ist meistens auch eine Netzverstärkung notwendig. Dafür ist der Verteilnetzbetreiber – wie die BKW – verantwortlich. Bewilligt wird die Verstärkung ebenfalls durch das ESTI, jedoch nicht im beschleunigten Verfahren. Dies hat zur Folge, dass zwar die Anlage schnell gebaut werden kann, der Strom aber nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt, weil das Verteilnetz dafür nicht genug schnell ausgebaut werden kann. Ausserdem sind für den Bau einer alpinen PV-Anlage drei unterschiedliche Bewilligungsverfahren auf unterschiedlichen Staatsebenen (Bund und Kanton) erforderlich, obwohl es technisch, wie auch geografisch um den gleichen Sachverhalt geht (siehe Grafik 1).
Fazit Nr. 1: Bei Energiewende ist stets an das Stromnetz mitzudenken. Neben alpinen Solaranlagen und deren Anschlussleitung soll auch die notwendige Netzverstärkung im Verteilnetz vom beschleunigten Verfahren profitieren. Das Stromnetz und Produktionsanlagen müssen als Gesamtsystem betrachtet und als solches behandelt werden.
Der bürokratische Aufwand für den Netzausbau ist riesig
Ein weiterer Faktor, der das Bewilligungsverfahren in die Länge zieht, ist der historisch gewachsene verwaltungstechnische Aufwand. Ein Beispiel: Bei einem Ausbauprojekt einer Stromleitung der BKW war der Bau einer 250 Meter langen Bohrung, sowie eine Start- und Zielgrube von je 2 auf 3 Meter erforderlich. Beim entsprechenden Verfahren vom ESTI waren gesamthaft fünf verschiedene Ämter und neun verschiedene Abteilungen zur Stellungnahme aufgefordert. All diese Ämter befassen sich also mit einem vergleichsweisen kleinen Projekt, das einen minimalen und lediglich temporärem Eingriff in die Landschaft hat. Gleichzeitig sind der Einbezug zahlreicher Ämter sehr geld- und zeitintensiv. Die vielschichtige Gesetzgebung bremst folglich eine schnelle Energiewende.
Fazit Nr. 2: Die Energiewende braucht einfache und sinnvolle Bewilligungsverfahren, damit die gesteckten Ziele in nützlicher Frist erreicht werden können.
Die notwendigen baulichen Massnahmen für den Netzausbau müssen vorangetrieben werden
Der Ausbau des Verteilnetzes bedeutet nicht nur dickere Kabel zu den einzelnen Häusern, sondern auch beispielsweise neue Trafostationen, da an gewissen Orten die Verstärkung des Niederspannungsnetzes nicht ausreicht (Grafik 2). Jedoch ist dies nicht an allen Orten möglich. Zum Beispiel:
In einem Dorf soll eine alte Zweistangenstation durch eine Kompaktstation ersetzt werden. Dies ist erforderlich, weil die Zweistangenstation altershalber ersetzt werden muss. Aufgrund fehlenden Platzes suchte die BKW folglich einen geeigneten Alternativstandort. Dies ist herausfordernd. Denn ausserhalb der Bauzone dürfen keine Trafostationen gebaut werden, welche eine Bauzone versorgen. Das heisst, der Verteilnetzbetreiber ist auf die Kooperation von Privateigentümerinnen und -eigentümer angewiesen, um auf ihrem Bauland eine Trafostation errichten zu können. Ist dies aber nicht möglich, hat der Verteilnetzbetreiber keine andere Wahl als kostenintensivere Alternativen zu suchen – in diesem Fall im hohen fünfstelligen Bereich. Die letzte Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren, ist in den meisten Fällen keine sinnvolle Option, da dies zu erheblichen Verzögerungen führen würde. Und eine Verzögerung hätte bei diesem Beispiel zusätzlich zur Folge, dass im gesamten Quartier keine weiteren Solaranlagen installiert werden könnten, wodurch die Ziele der Energiewende gefährdet werden (Grafik 3). Allgemein ist davon auszugehen, dass die Standortfindung für weitere Stationen oder Leitungsführungen in Zukunft noch schwieriger wird. Denn der Weg einer Enteignung ist in den meisten Fällen keine Option aufgrund der negativen Wahrnehmung und dem verständlichen Widerstand der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer.
Fazit Nr. 3: Um die Energiewende möglichst beschleunigen, sind kooperative und sinnvolle regulatorische Rahmenbedingungen notwendig.
Die Energiewende gelingt, sofern das Verteilnetz miteinbezogen wird
Das nicht beschleunigte Bewilligungsverfahren, die hohe bürokratische Aufwand sowie die raumplanerischen Rahmenbedingungen des Verteilnetzes machen eins deutlich: Das Verteilnetz könnte zum Flaschenhals der Energiewende werden. Folglich ist es dringend notwendig, das Verteilnetz zu berücksichtigen bei der Umsetzung von Massnahmen zu Erreichung der Klimaneutralität bis 2050. Nur mit einem leistungsfähigen und stabilen Verteilnetz kann der Strom aus erneuerbaren Energiequellen verteilt werden.
Eine Gesetzesvorlage zur Beschleunigung der Stromnetze muss alle Netzebenen umfassen
Der Bundesrat plant, im Netzbereich eine entsprechende Beschleunigungsvorlage dem Parlament vorzulegen. Die BKW begrüsst dies, denn der Ausbau insbesondere des Mittel- und Niederspannungsnetz droht zum Flaschenhals der Energiewende zu werden. Denn das Verteilnetz ist der direkte Draht zur Energiewende: Über 90% aller Solaranlagen, alle Ladestationen für die E-Mobilität (exkl. LKW) sowie alle Wärmepumpen werden in den beiden unteren Netzebenen angeschlossen. Die Energiewende findet also hauptsächlich im Nieder- und Mittelspannungsnetz statt. Somit müssen alle Netzebenen bei der Netzbeschleunigung berücksichtigt werden.
Die BKW befürwortet die Stossrichtung des Beschleunigungserlasses
Die Vorlage enthält einige sinnvolle Elemente. Die vorberatende Kommission (UREK-N) hat ebenfalls begrüssenswerte Anpassungen vorgenommen, wie beispielsweise, dass der Projektant entscheiden kann, ob für die Bewilligung seiner Solar- oder Windenergieanlage anstelle des kantonalen Plangenehmigungsverfahrens das ordentliche Planungs- und Baubewilligungsverfahren durchgeführt wird.
Als negativen Punkt erachtet die BKW jedoch den Minderheitsantrag, welcher die Windenergie vom beschleunigten Verfahren ausschlissen will. Die Windenergie ist ein wichtiger Bestandteil des Schweizer Energiemixes. Ausserdem liefert ein Windenergiepark dann Strom, wenn andere erneuerbare Quellen weniger Strom produzieren – nämlich im Winter.
Eine anderer Minderheitsantrag fordert hingegen, das Beschwerderecht gegen Projekte von nationalem Interesse auf Organisationen zu beschränken, welche eine Mitgliederzahl von über 50’000 Personen aufweisen. Zahlreiche Fälle zeigen, dass die Beschwerdemöglichkeiten unter anderem von Kleinstverbänden ohne lokalen Bezug genutzt und so Projekte jahrelang in die Länge gezogen werden. Eine entsprechende Gesetzesanpassung könnte dazu führen, dass Projektanten und Schutzverbände einfachere Kompromisse finden. Gleichzeitig muss das Recht der Einsprache insbesondere für grosse Umweltschutzverbände gewährt bleiben, denn eine gute Abwägung von Schutz und Nutzen bleibt wichtig.