Auf einem Bildschirm zeigt Giuseppe Madia eine Europakarte. Darauf: Das gesamte Windportfolio der BKW. Per Zoom navigiert der Geschäftsführer der BKW Tochter Proxima Solutions zu den verschiedenen Parks oder gar den einzelnen Turbinen. Mit einigen Klicks überprüft er ihren Zustand. Möglich macht dies der Wind-Log. Proxima Solutions hat das Monitoring-Tool 2020 auf den Markt gebracht und entwickelt es seither ständig weiter.
Ein äusserst komplexer Fiebermesser
Zu jeder Turbine liefert der Wind-Log Daten in Echtzeit. Er zeigt nicht nur an, wie viel Strom sie gerade produziert, sondern ermöglicht auch einen virtuellen Blick ins Innere der Turbine. An verschiedenen Komponenten einer Windturbine – wie beispielsweise dem Getriebe oder dem Generator – gibt es Sensoren. Sie messen die Temperatur. Der Wind-Log nutzt diese Daten. Man könnte ihn mit einem Fiebermesser – einem äusserst komplexen allerdings – vergleichen. «Hat die Turbine Temperatur und läuft heiss, ist dies ein frühes Anzeichen, dass etwas nicht stimmt», erklärt Giuseppe Madia. Der Wind-Log vergleicht die Daten einer Turbine mit allen anderen im selben Park. So lassen sich Ausreisserwerte schnell erkennen.
Giuseppe Madia klickt auf Turbine fünf des Windparks Marker in Norwegen. Tatsächlich ist dort das Getriebe etwas wärmer als bei den übrigen Turbinen im Park. Ein Blick in die Zeitreihe – diese zeichnet der Wind-Log selbstverständlich auf – gibt Entwarnung: Die Temperatur schwankt. «Beunruhigend ist es, wenn sie nur nach oben geht», sagt Giuseppe Madia. Solche Probleme lassen sich mit dem Wind-Log frühzeitig erkennen. Und das ist fast wahrhaftig Gold wert: «Bricht ein kleines Stück im Getriebe ab und wir erkennen das rechtzeitig, kann man das in der Turbine reparieren. Grössenordnung der Reparaturkosten: rund zehntausend Euro. Bleibt der Schaden hingegen eine Weile unentdeckt, geht früher oder später das ganze Getriebe kaputt. Es muss mit einem Kran vom Boden her ersetzt werden. Da steigen die Reparaturkosten schnell in eine Grössenordnung von hunderttausend Euro. Ganz zu schweigen von den entgangenen Einnahmen durch den Produktionsausfall», so Giuseppe Madia.
Die Daten fliessen: vom Handel zum Wind-Log und umgekehrt
Ist an einer Turbine tatsächlich etwas zu ersetzen, hilft der Wind-Log den optimalen Zeitpunkt dafür festzulegen. Im Tool sind Windprognosen hinterlegt – inklusive Daten aus dem BKW Handel. Der Wind-Log kombiniert die Prognosedaten mit der hinterlegten Abnahmevergütung oder dem zu erwartenden Marktpreis. So erhält jeder geplante Unterhalt ein Preisschild in Form der entgangenen potenziellen Einnahmen. Ist der Zeitpunkt festgelegt, fliessen diese Daten wieder zurück an den BKW Handel. So wissen die Kolleginnen und Kollegen auf dem Trading Floor, wann ihnen eine gewisse Menge Strom nicht zur Verfügung steht und können diese rechtzeitig auf dem Markt beschaffen.
Der Mensch und die Technologie
Der Wind-Log verarbeitet in Echtzeit bis zu 4 Millionen Datensätze, läuft auf 74 Servern in der Cloud und umfasst insgesamt 3’300 Microservices. So beeindruckend diese Zahlen sind: Es ist das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie, das dem Wind-Log seine volle Schlagkraft verleiht. Denn es braucht Menschen, welche die Daten aus dem Tool richtig interpretieren. Und die darin festhalten, wie sie auf die eine oder andere Störung reagiert haben. So soll der Wind-Log längerfristig nicht nur Störungen vorhersagen, sondern gleich Lösungsvorschläge dafür liefern. Es braucht auch Menschen, die den Wind-Log weiterentwickeln – wie Giuseppe Madia und sein Team. Denn der Wind-Log ist nicht das einzige Monitoring-Tool auf dem Markt und es geht darum, immer schneller, günstiger und besser zu sein. Das Team von Proxima Solutions bleibt dran. Mit Erfolg: Neben dem Windportfolio der BKW überwachen sie schon heute verschiedene Anlagen Dritter. Und geografisch sind dem Wind-Log keine Grenzen gesetzt. Vielleicht zeigt Giuseppe Madia auf dem Bildschirm also bald eine Weltkarte.
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Proxima Solutions ist eine Tochtergesellschaft der BKW mit Sitz in Berlin und einer Niederlassung in Madrid. Sie entwickelt Instrumente zur Überwachung und Optimierung der Produktion aus erneuerbaren Quellen. Dazu kombiniert sie jahrelange Erfahrung im Feld mit einer Software die künstliche Intelligenz nutzt.