Der Herkunftsnachweis (HKN) hat laut Bund das Ziel, dass Kundinnen und Kunden ihren verbrauchten Strom zurückverfolgen können. Ein HKN wird ausgestellt für jede erzeugte kWh Strom. Der Handel mit HKN und Strom sind entkoppelt. Aufgrund dieser Entkopplung ist eine echte Transparenz bis zum Ursprung der Stromproduktion nur bedingt möglich.
- Das HKN-System ist beinahe in ganz Europa umgesetzt. In der Schweiz gibt es die sog. Volldeklaration. Dies bedeutet, dass sämtliche Stromlieferungen (auch Importstrom) mit HKN belegt werden müssen. Für importierten Strom aus der Produktion eines konventionellen Kraftwerks (z.B. Kernenergie) werden Ersatznachweise ausgestellt, da in der EU mehrheitlich nur für die Produktion aus erneuerbaren Energien ein HKN ausgestellt wird.
- Pro Jahr werden in der Schweiz ungefähr 100 Millionen Franken für den Erwerb von HKN-Zertifikaten ausgegeben, davon ein kleiner einstelliger Millionenbetrag für HKN aus dem Ausland. Bezahlt wird dies von allen Stromkonsumenten, insbesondere Private Haushalte und die produzierende Industrie.
- Die Produktion und der Verbrauch der Energie müssen heute über ein ganzes Jahr miteinander übereinstimmen. Stromlieferanten können damit den Verbrauch im Winter mit HKN aus dem Sommer belegen. Die Motion Müller 21.3620 sowie der Bundesrat in seiner Botschaft zur Revision StromVG (Seite 29) fordern nun eine Verkürzung der Periodizität auf einen Monat, beziehungsweise ein Quartal.
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Heute werden der Verbrauch und die Produktion bei den meist nur jährlich abgelesen. Für eine monatliche Ablesung müssten entsprechende Infrastruktur sowie Systeme installiert und betrieben werden. Zudem würde sich der administrative Aufwand vervier- oder gar verzwölffachen (siehe nächste Frage).
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Der Qualitätsausweis ist eine regulatorische Anforderung. Solange es genügend Angebot gibt, spiegeln die Preise auf dem Markt im Wesentlichen nur die Administrationskosten wieder ohne einen Mehrwert zu generieren. Bei einer Verkürzung der HKN-Periodizität für die gesamte Schweiz müssen diese zusätzlichen Kosten von allen Kundinnen und Kunden getragen werden, ob sie diese Information wollen oder nicht.
- HKN werden in der Regel im Vorhinein auf Basis von Planwerten beschaffen. Im Nachhinein erfolgt eine potentielle Ausgleichsbeschaffung, wenn zu wenig HKN gekauft wurden. Heute erfolgt einmal pro Jahr eine Ausgleichsbeschaffung. Bei einer Stromkennzeichnung auf Monatsbasis wird diese Ausgleichsbeschaffung 12 Mal stattfinden. Das heisst 12 Mal mehr Beschaffungen und 12 Mal mehr Verträge, die in den verschiedenen Systemen abgebildet werden müssen und einen enormen bürokratischen Mehraufwand generieren.
- Der erhöhte administrative Aufwand würde nicht nur Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sondern auch Grosskunden mit eigener HKN-Beschaffung, also z.B. die Schweizer Industrie, betreffen.
- Neben dem erhöhten Preis für die Kunden würden wohl viele Akteure mehr HKN beschaffen als nötig wären, damit nicht in jedem Monat eine Ausgleichsbeschaffung getätigt werden muss. Dadurch können sie zwar ihren administrativen Aufwand reduzieren, doch verknappt sich der HKN-Markt dadurch zusätzlich. Denn die zu viel beschafften Qualitätsnachweise, die für den spezifischen Monat beschafft werden mussten, würden verfallen.
- Bei einer monatlichen HKN-Beschaffung steigen die Preisrisiken für die Kunden. Denn während der HKN-Preis für Solarenergie im Sommer aufgrund des Überschusses sehr tief oder gar null sein kann, steigt dieser im Winter – auf Grund der Knappheit – ins Unendliche. Vor allem EVUs welche ihren Strom auf dem freien Markt einkaufen müssten in diesem Fall das Risiko von markant höheren HKN-Preisen im Winter in ihre Tarife einrechnen.
- Der HKN-Nachweis auf Quartals- oder Monatsbasis würde deshalb zu weniger Auswahlmöglichkeiten für die Kunden führen. Aufgrund der Probleme bei der Planbarkeit könnten keine Produkte mehr angeboten werden, die eine bestimmte Qualität enthalten, z.B. Zusatzzertifizierung für Photovoltaik oder regionale Einschränkungen.
Bei einer Verkürzung der Periodizität von HKN ist nicht mit einem Mehrwert für erneuerbare Kraftwerksanlagen zu rechnen:
- Die Pflicht zu einer monatlichen Qualitätskennzeichnung würde keinen funktionierenden Markt für inländische HKN schaffen – ganz im Gegenteil würden zusätzliche Regulierungen für die Bestimmung von (minimalen und maximalen) HKN-Preisen nötig.
- Investitionen in erneuerbare Energien werden auf einen Zeithorizont von 20-25 Jahre (oder länger) gerechnet. Sollte die Verkürzung trotzdem zu einem kurzfristigen Anstieg der inländischen HKN-Preise führen, wird dies keine Investitionen in erneuerbare Energien auslösen. Denn der Anstieg wäre nicht nachhaltig. Unabhängig von der Periodizität der HKN werden immer mehr erneuerbare Energien ausgebaut und damit würde der Preiseffekt nur kurzfristig sein.
- Bei einer kurzfristigen Verknappung von inländischen erneuerbaren HKN und damit einem markanten Anstieg der Preise ist zu erwarten, dass die Kunden auf günstigere Alternativen (Atomstrom, Ersatznachweise aus der EU und erneuerbare HKN ebenfalls aus der EU) umsteigen. Dies senkt die Nachfrage nach inländischen erneuerbaren HKN. Die Verkürzung der Periodizität könnte somit sogar zu einer Senkung der Nachfrage nach erneuerbarem Strom führen.
Sollten Endverbraucher tatsächlich Interesse an einem unterjährigen Qualitätsausweis haben, dann kann der Markt solche Produkte bereitstellen. Um innovative Produkte und Lösungen zu fördern, sollte – wie vom Bundesrat beabsichtigt – der Strommarkt vollständig geöffnet werden. Nach der Marktöffnung werden neue Angebote und Märkte möglich sein, so z.B. Stromprodukte von nebenan, aus regionaler und lokaler Produktion. Die Produzenten könnten ihren Strom direkt an Konsumenten verkaufen und die Konsumenten könnten wiederum auswählen, aus welchen Anlagen sie ihren individuellen Strom-Mix beziehen möchten. Ohne Marktöffnung die gesamte Stromkennzeichnung verpflichtend auf Quartals- oder Monatsbasis zu verkürzen, würde jedoch keinen Nutzen generieren.
Der Ausbau von erneuerbaren Energien wird nicht über eine künstliche kurzfristige Verknappung von erneuerbaren HKN erreicht, sondern über eine effiziente und marktnahe Ausgestaltung der Förderung (siehe Zukunft der erneuerbaren Energien).
Aktuelle politische Komponente: Aberkennung Schweizer HKN in der EU und umgekehrt
- Mit der Umsetzung der Richtlinien aus dem Clean Energy Package in der EU sind seit dem 1. Juli 2021 Schweizer HKN für die Stromkennzeichnung in EU-Ländern nicht mehr akzeptiert und damit vom europäischen Markt ausgeschlossen. Nach dem Scheitern des Rahmenabkommens wird die Forderung (21.7476 Fragestunde Clivaz, 21.3320 Interpellation Egger) laut, diese einseitige Anerkennung aufzuheben oder weitere Lösungen zu finden.
- Die Diskussion über eine reziproke Aberkennung der EU-HKN fand bereits letztes Jahr statt: Eine entsprechende Umfrage bei der Branche und grossen Stromverbrauchern wurde vom BFE durchgeführt. Darauf basierend entschied dieses im Mai 2020, die Anerkennung der EU-HKN und den Import von Ersatznachweisen weiterzuführen.
- Die Aberkennung von EU-HKN würde die Möglichkeiten der kennzeichnungspflichtigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen weiter einschränken. Steigen die HKN-Preise (v.a. im Winter) an, würden sich viele Kunden und Lieferanten mit HKN aus dem europäischen Markt eindecken – denn mit rein schweizerischen HKN wäre die Stromkennzeichnung auf Monatsbasis im Winter nicht möglich. Ohne die Möglichkeit EU-HKN zu importieren würden die Preise für CH-HKN ins Unendliche steigen und müssten dann vom Bund gedeckelt oder anderweitig administriert werden.
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