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Denis Spät, Regulierungsmanager BKW
Die Schweiz und die EU streben ein institutionelles Rahmenabkommen an, dass beiden Seiten gleichberechtigten Zugang zu den sektoriellen Märkten öffnet – dazu gehört auch der Strommarkt. Mit dem Abschluss des Abkommens müsste die Schweiz die Mindestbestimmungen des EU-Rechtsrahmens in das nationale Recht übernehmen. Eine der zentralen Muss-Bestimmungen ist die Öffnung des Strommarktes.
Für die Schweizer Stromgesetzgebung waren die EU-Richtlinien des Strombinnenmarktes von Anfang an von grosser Bedeutung. Bereits mit dem 2002 vom Stimmvolk abgelehnten Elektrizitätsgesetz (EMG) wurde versucht, das Gesetz mit der damals gültigen EU-Richtlinie 96/92 EG kompatibel auszugestalten. Auch bei der Erarbeitung des StromVG im Jahr 2004 wurde die Kompatibilität der Schweizer Gesetzgebung mit der EU-Richtlinie 2003/54/EG angestrebt.
Grundsätzliche EU-Kompatibilität gemäss Bundesrat
In der Botschaft zum StromVG beurteilte der Bundesrat den Erlassentwurf als grundsätzlich mit dem EU-Recht kompatibel. Die wesentlichen Differenzen sah der Bundesrat in der Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Strommarktöffnung sowie der Entflechtung der Verteilnetzbetreiber. Seit dem Verabschieden des StromVG vom Parlament 2007 haben sich die Rahmenbedingungen des EU-Strombinnenmarktes weiterentwickelt.
2009 trat die Richtlinie 2009/72/EG in Kraft, die wiederum 2019 durch eine neue Richtlinie 2019/944 ersetzt wurde. Das StromVG wurde jedoch nicht revidiert. Wenn die Bestimmungen im StromVG schon 2007 nicht den EU-Anforderungen genügten, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Differenzen mit dem EU-Recht grösser geworden sind. Die Bestimmungen im StromVG «hinken» europäischen Regelungen hinterher.
Revision StromVG: Chance für EU-konforme Ausgestaltung
Im Oktober 2018 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revisionsvorlage des StromVG eröffnet. Die Revision bot eine Chance, das StromVG EU-konform auszurichten. Die Änderungen im StromVG sehen diverse Neuerungen vor, die vom EU-Recht für den Zugang zum Strombinnenmarkt vorausgesetzt werden. Eine der zentralen Anpassungen betrifft die vollständige Öffnung des Strommarktes in der Schweiz. Die Revisionsvorlage enthält Details, wie der offene Strommarkt organisiert werden soll.
Im Hinblick auf die derzeit geführten Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen mit der EU gehen die geplanten Massnahmen zur Strommarktöffnung grundsätzlich in die richtige Richtung, um eine den EU-Anforderungen konforme Schweizer Gesetzgebung zu schaffen. Nach der abgeschlossenen Vernehmlassung Ende Januar 2019 hat der Bundesrat mehrmals bekräftigt, dass er den Strommarkt öffnen möchte.
Differenzen zwischen Revisionsvorlage und EU-Recht
Die alleinige Absicht den Strommarkt zu öffnen, würde den Anforderungen der EU-Bestimmungen nicht genügen. Auf eine EU-konforme Ausgestaltung der Marktöffnung kommt es an. Gemäss dem Erläuterungsbericht zur Revisionsvorlage StromVG sollten Neuerungen grösstmöglich EU-konform sein. Um zu beurteilen, wie weit die Vorlage tatsächlich die Konformität mit dem EU-Recht erfüllt, muss jede Neuerung einzeln geprüft werden, denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail, wie unsere Analyse zeigt.
Die Revisionsvorlage zum StromVG weicht in mehreren, wesentlichen Punkten von den Anforderungen des EU-Rechts für den Zugang zum Strombinnenmarkt ab. Eine grobe Differenz der Vorlage mit den EU-Bestimmungen liegt vor allem in der fehlenden Verschärfung der Entflechtungsvorgaben und der Organisation der Grundversorgung. Dass die Änderungen im StromVG nicht EU-konform sind, war von Anfang an klar. Der Bundesrat hat versäumt die offensichtlichen Differenzen, die schon seit der Erarbeitung des StromVG 2004 bestanden, zu bereinigen.
Nach der Revision ist vor der Revision
Eine erneute Gesetzesrevision nach der Gesetzesrevision ist aus zwei Gründen wahrscheinlich. Einerseits würde der Abschluss eines Stromabkommens mit der EU zwingend voraussetzen, dass sich die Schweizer Strommarktregeln enger an jene der EU angleichen. Anderseits dürfte sich unabhängig davon zeigen, dass einige Bestimmungen in der aktuellen Revisionsvorlage nicht nachhaltig oder gar widersprüchlich formuliert sind. Dazu gehört nicht zuletzt das Festhalten an der Verantwortung der Grundversorgung bei den Netzbetreibern, die sich in der Praxis kaum mit den Vorgaben zur Entflechtung vereinbaren lässt.
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