Wir treffen Sie in Kandersteg, wo Sie aufgewachsen sind. Wann wurde Ihnen als Berner Oberländer das Thema Wasserkraft erstmals bewusst?
Schon bevor ich zur Welt kam, wurde der Öschibach, der aus dem bekannten Oeschinensee fliesst, zur Energieerzeugung genutzt. Als Kind faszinierte mich schon das Kraftwerk, das direkt neben der Skiabfahrt liegt.
Man kennt Sie als Nationalrat und als ehemaliger SVP-Präsident. Weshalb haben Sie vor vier Jahren das Präsidium des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands übernommen?
Ich bin seit neun Jahren Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie und deshalb mit dem Thema vertraut. Zudem habe ich immer signalisiert, dass die Versorgungssicherheit mit Strom für die Schweiz eine enorme Bedeutung hat. Es ist eines der wichtigsten Dossiers – heute und in Zukunft.
Welche Interessen vertritt denn ein Wasserwirtschaftsverband konkret?
Direkt jene der Unternehmen, die aus Wasserkraft Strom produzieren. Dazu gehören praktisch alle Wasserkraftwerke. Vielmehr geht es aber eigentlich um die Interessen jeder Bürgerin oder jedes Bürgers – nämlich, dass die Stromversorgung funktioniert. Gleichzeitig kümmern wir uns auch um Fragen des Hochwasserschutzes.
Sie sprechen damit die Nationale Risikoanalyse des Bundesamts für Bevölkerungsschutz (Babs) an.
Genau, in der aktuellen Analyse des Babs gilt ein längerer Stromausfall als das grösste Risiko für die Gesellschaft. Ich bin Gemeindepräsident von Uetendorf BE, hier hatten wir vor ein paar Jahren eine Übung, bei welcher wir einen solchen Stromausfall simuliert haben. Es funktioniert nichts mehr. Die Ladentür öffnet sich nicht. Man kann kein Geld abheben. Licht, Backofen und Kochherd sind aus. Die Kommunikation übers Handy wird unmöglich. Trotz Aggregaten sind auch Spitäler irgendwann wieder auf Strom angewiesen. Wenn uns nach ein paar Tagen die Vorräte ausgehen, dann wird ein solcher Zustand sehr gefährlich.
Wie hilft da die Wasserkraft?
In den Energieperspektiven geht der Bund davon aus, dass in 30 Jahren jährlich neun Terawattstunden Strom importiert werden müssen – trotz der Weiterentwicklung der Technologien. Dies entspricht der Jahresleistung eines grossen Kernkraftwerks. Länder wie Deutschland und Frankreich fahren die Kernkraft ebenfalls zurück, wollen auf Kohlekraftwerke verzichten. Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass wir es nur mit Importstrom schaffen. Wir müssen heute handeln. Den Bedarf können wir unter anderem mithilfe der Wasserkraft decken.
Wasserkraft ist eine saubere Energiequelle, dennoch sind die Hürden für einen Ausbau hoch. Haben Sie dafür ein gewisses Verständnis?
Dass man beim Ausbau den Umweltschutz berücksichtigen muss, dafür habe ich viel Verständnis. Aber: Die Mehrheit des Stimmvolks hat entschieden, dass wir keine neuen Kernkraftwerke bauen wollen. Zudem besteht ein massiver Druck, auf fossile Energiequellen zu verzichten. Wir sind auf Ersatz angewiesen. Wer also eine Verhinderungstaktik gegen Wasserkraft, insbesondere auch neue Speicherkraftwerke, betreibt, gefährdet direkt die Versorgungssicherheit des Landes. Das ist fahrlässig.
In der Schule haben wir noch gelernt, wie wichtig unsere Flusskraftwerke und Stauseen sind. Die Schweiz als Wasserschloss. Was ist in der Zwischenzeit mit dem Image der Wasserkraft passiert?
Schauen Sie, mein Bruder hat weiter hinten bei Kandersteg, im Ueschinental, eine Hütte und geht dort im Sommer «z Bärg». Ich ging da als Kind selbst zur Alp. Erst im letzten Jahr wurde dort ein Stromanschluss eingerichtet. Was ich damit sagen will: Unsere Eltern und Grosseltern haben noch erlebt, dass es nicht überall oder nicht jederzeit Strom gab. Heute kommt er aus der Steckdose wie die Milch aus Migros und Coop. Selbstversorgung ist einfach eine Selbstverständlichkeit. Dabei geht vergessen, dass der 60-Prozent-Stromanteil aus der Wasserkraft unterhalten werden und die gut 35 Prozent aus der Kernkraft erst einmal ersetzt werden müssen.
Was macht die Branche denn für den Umweltschutz?
Ein konkretes Beispiel: Wir sind als Verband in zwei Projekten zum Fischabstieg involviert, auch in Zusammenarbeit mit der ETH. Den Fischaufstieg hat man mittlerweile ganz gut im Griff. Aber beim Abstieg muss verhindert werden, dass die Fische in die Turbinen geraten. Hier beteiligen wir uns gerne daran, dass es Verbesserungen gibt.
Der Bundesrat hat im Rahmen der Revision des Energiegesetzes die Rolle der Wasserkraft aber bestätigt. Oder wie sehen Sie das?
Es ist sicher positiv zu werten, dass die Wasserkraft Unterstützung erhalten soll. Vorgesehen ist eine Verdoppelung der Mittel, die aus der Stromabgabe verfügbar sind. Trotzdem hat die Wasserkraft weiterhin einen zu kleinen Stellenwert, wenn man die Gelder mit den Förderprogrammen für die Photovoltaik oder andere erneuerbare Energien vergleicht. Solche Energien können praktisch nur mit Wasserkraft über Speicherwerke ins Winterhalbjahr transformiert werden.
Im Winterhalbjahr wäre dann die Wasserkraft gefragt.
Richtig. Wir würden uns halt gleich lange Spiesse wünschen. Schon der Erhalt des heutigen Status quo bedingt laufend Investitionen. Strompreis, Wasserzinsen und ökologische Anforderungen machen es heute schwierig, das Geschäft mit der Wasserkraft zu betreiben. So besteht die Gefahr, dass aus Rentabilitätsgründen nicht in die Wasserkraft investiert wird – zum langfristigen Nachteil des Landes.
Gewisse Stimmen fordern deshalb eine Vollversicherung für die Wasserkraftproduktion. Das heisst, Produzenten könnten sich gegen tiefe Strompreise absichern. Was halten Sie davon?
(Lacht) Das ist nun eher schwierig für einen liberal denkenden Menschen. Wenn Produzenten ihre Verluste über den Staat absichern würden, dann bräuchte es auch einen Ausgleichsmechanismus für Gewinnphasen, sprich, es wäre zu prüfen, wie Gewinne zurückbezahlt würden.
Nationalrat Albert Rösti
Der Berner Nationalrat Albert Rösti (53) ist Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK). Im Nationalrat sitzt er seit 2011. Von 2016 bis 2020 war er Präsident der SVP Schweiz. Rösti führt eine eigene Kleinunternehmung, das „Büro Dr. Rösti, GmbH“ und ist Gemeindepräsident von Uetendorf im Berner Oberland.
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