Im Kommentar «Die stille Verstaatlichung muss endlich aufhören» kritisiert David Vonplon, dass Energieversorger wie die BKW in neue Geschäftsbereiche vorstossen und dort – aufgrund vermeintlicher Vorteile durch öffentliche Eigentümerschaft und Monopol – den Markt verzerren. Er fordert, dass die Politik in die Unternehmensstrategien eingreift und die Expansion unterbindet. Doch die pointierte Forderung erscheint nur auf den ersten Blick liberal – im Gegenteil, es würde das Rad der Zeit zurückgedreht: Die Liberalisierung des Marktes würde gebremst und Innovationen für die Energiezukunft behindert.
Keine Gewinngarantie
In seiner Analyse verkennt der Autor, dass der Strommarkt bereits heute kein Monopol mehr ist. So verkauft die BKW den weitaus grössten Teil ihrer Produktion im europäischen Grosshandel – wo die Marktpreise seit Jahren unter den Gestehungskosten liegen. Einen weiteren bedeutenden Teil vermarktet sie gegenüber Grosskunden, die seit der Teilmarktöffnung 2009 ihre Anbieter frei wählen. Rund die Hälfte des Schweizer Stromverbrauchs entfällt heute auf solche Kunden mit direktem Marktzugang. Weil zudem viele Kleinverbraucher bei Versorgern ohne eigene Produktion angeschlossen sind, haben auch diese indirekt Zugang zum Markt. Und mit der laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes wurde der letzte Schritt der Marktöffnung eingeleitet. Kurz: Das staatliche, vertikal integrierte Monopol mit Gewinngarantie ist längst Vergangenheit.
Daneben haben sich Technologien zur Produktion, Verteilung, Speicherung und zum Verbrauch von Strom rasant weiterentwickelt. Mit zunehmender Digitalisierung, Dezentralisierung und Konvergenz wurde der Markt nicht nur komplexer, sondern auch kompetitiver. Stromversorger müssen ihre Strategien, Geschäftsmodelle und Produkte auf die neuen Realitäten ausrichten. So hat sich die BKW seit dem Börsengang zu einem breit aufgestellten Unternehmen für Energie- und Infrastrukturdienstleistungen entwickelt. Eine Strategie, die in einem unsicheren Markt Mehrwert und Stabilität schafft, wie die ausgewiesenen Geschäftszahlen und die Entwicklung des Börsenwerts der BKW illustrieren. Politische Eingriffe in Unternehmensstrategie oder -struktur erscheinen vor diesem Hintergrund als Anachronismus – ein Zurück in eine staatliche Monopolwelt, wo Energie- und Unternehmenspolitik noch deckungsgleich waren.
Verbot von Quersubventionen
Schliesslich wurden die Stromversorger mit der Liberalisierung politisch gewollt dem Wettbewerb ausgesetzt. Damit dieser in Gang kommt, wurde der Markt für private und ausländische Anbieter geöffnet. Konkurrenz zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen ist daher keineswegs kritisch, sondern ein gewünschter, ja gar ein nötiger Effekt der Liberalisierung. Würde die Politik nun einseitig in die Strategien der Unternehmen eingreifen, würden diese im Wettbewerb mit den privaten oder ausländischen Akteuren benachteiligt.
Natürlich dürfen umgekehrt staatliches Eigentum und das (regulierte) Monopol beim Netzbetrieb den Wettbewerb in der Energieversorgung und dem Dienstleistungsgeschäft nicht verfälschen. Zu Recht verlangt die NZZ Instrumente gegen wettbewerbsverzerrende Quersubventionen. Hier aber rennt sie offene Türen ein. Das im Kommentar angesprochene Bundesgerichtsurteil im Falle Glarnersach weist auf die Notwendigkeit einer kalkulatorischen Trennung zwischen Wettbewerbs- und Monopolbereich hin. Das derzeitige Stromversorgungsgesetz geht indes schon heute weit darüber hinaus: Es verbietet explizit Quersubventionen und verlangt eine buchhalterische sowie eine informatorische Entflechtung zwischen dem Netzbetrieb und anderen Geschäftsbereichen.