Mit zunehmender dezentraler Stromproduktion sowie dem wachsenden Anteil E-Mobilität steigt die Elektrizitätsnachfrage – und damit nehmen auch die Anforderungen an das Stromnetz kontinuierlich zu. Dies erfordert einen Kapazitätsausbau und damit hohe Investitionen in das Leitungsnetz. Da die Kapazität des Netzes auf die maximale Belastung (z.B. bei besonders hoher Nachfrage oder dezentraler Stromproduktion) ausgerichtet werden muss, sind die Netzkosten weitestgehend unabhängig vom Stromverbrauch. Das heisst, dass diese Netzkosten auch dann anfallen, wenn das Netz zeitweise gar nicht genutzt würde.
Dabei folgt der nötige Netzausbau dem Bedarf der Anschlussnehmerinnen und -nehmer: Für die Dimensionierung der Stromnetze ist die angeschlossene Kapazität (in Kilowatt/kW) massgebend, sprich die Anschlussleistung der einzelnen Anschlüsse. Die durchgeleitete Strommenge (in Kilowattstunden/kWh) ist nicht entscheidend, sie kann innerhalb der Kapazität variieren. Die Grösse einzelner Anschlüsse und folglich des gesamten Stromnetzes ist somit mit einer Versicherung vergleichbar: Die Anschlussleistung kann jederzeit im vollen Umfang zum Strombezug genutzt werden.
Nicht verursachergerechte Netztarife
Netztarife werden bei den Stromkonsumenten erhoben. Gemäss den aktuellen rechtlichen Vorgaben werden die Netzkosten auf die meisten Konsumentinnen und Konsumenten zu mindestens 70 Prozent als mengenabhängiger Arbeitstarif (Rp./kWh) verteilt. Dies kann hinsichtlich verursachergerechter Kostentragung zu unfairen Ergebnissen führen, wie das Beispiel von zwei Konsumenten zeigt, die beide dieselbe Anschlussgrösse haben. Da Konsument (A) weniger Strom bezieht, ist sein Beitrag an den Netzkosten gemäss der geltenden Tarifierungsregel jedoch geringer als jener von Konsument (B), welcher einen höheren Strombezug ausweist.
Versteckte Subventionierung
Vergleichen wir nun die Wirkung eines Arbeitstarifs bei einem Verbraucher (z.B. Mieter) und einem Prosumer («Prosumer» von englisch Producer/Consumer, z.B. Hausbesitzer mit Photovoltaik-Anlage), ebenfalls mit identischer Anschlussgrösse. Der Prosumer konsumiert – wann immer möglich – den selbst produzierten Strom (Abbildung 2, Fall A) und beteiligt sich entsprechend weniger an den Netzkosten und Abgaben, die hauptsächlich auf der aus dem Netz bezogenen Energiemenge erhoben werden müssen. Auch hierbei ist der Prosumer versichert: Wenn die eigene Produktionsanlage keinen Strom erzeugt, (Abbildung 2, Fall B), greift er für den gesamten Strombedarf auf das Netz zurück.
Prosumer beteiligen sich folglich heute in einem geringeren Umfang an den fixen Netzkosten als reine Konsumenten mit einer identischen Anschlussgrösse. Wenn mit der Nutzung des eigenerzeugten Stroms aber keine Reduktion der Anschlussgrösse und keine Kosteneinsparung beim Netzbau erfolgt, werden die Netzkosten auf eine geringere Bezugsmenge umgelegt. Hierdurch steigt der Arbeitstarif für alle und es kommt zu einer (versteckten) Quersubventionierung: Konsumenten ohne eigene Produktion zahlen einen Teil der Netzkosten von Konsumenten mit Eigenproduktion.
Steigende Arbeitstarife machen den Eigenverbrauch noch attraktiver und verstärken damit die Quersubventionierung. Der Anschluss dezentraler Erzeugungsanlagen bedingt zudem häufig einen Netzausbau und sorgt damit für steigende Netzkosten. Konsumenten ohne eigene Erzeugungsanlagen tragen im heutigen System auch durch diesen Effekt zunehmend höhere Netzkosten. Für den Zubau von erneuerbaren Energien hat die Politik Förderinstrumente in Form einer Einspeisevergütung, gleitenden Marktprämie und Investitionsbeträge vorgesehen. Dass der Eigenverbrauch zusätzlich über eine versteckte Subventionierung bevorteilt wird, ist weder sachgerecht, solidarisch noch effizient. Während in vielen Bereichen Quersubventionierungen unterbunden werden, erhalten Prosumer eine versteckte Förderung aus dem Monopolbereich.
Lösung für ein verursachergerechtes Entgeltsystem
Um die Allokation der Netzkosten verursachergerecht zu gestalten, sollte die Netztarifierung im Rahmen der Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) revidiert werden. Da die Netzkosten mehrheitlich von der Anschlussleistung abhängen, sollte konsequenterweise auch der Netztarif auf dieser Basis berechnet werden. Wir empfehlen sogar, die Netznutzung als fixen jährlichen Betrag differenziert nach installierter Anschlussleistung zu verrechnen – je höher die Anschlussleistung, desto höher der fixe Betrag. Ein solches Flatrate-System ist beispielsweise bei Internetanschlüssen weit verbreitet und akzeptiert. Das bringt die folgenden Vorteile:
- Verursachergerechtigkeit: Die Anschlussleistung ist der Treiber für die Netzkosten. Dies würde neu in leistungsbasierten Tarifen reflektiert. Damit entfielen zudem versteckte Subventionierungen sowie die zusätzliche unsolidarische Belastung von Konsumenten, die keinen Eigenverbrauch nutzen können.
- Sinkender Netzausbaubedarf: Konsumenten erhalten Anreize ihre Anschlusskapazität dauerhaft zu reduzieren (etwa indem sie intelligente Lösungen zur Steuerung und Koordination der eigenen Stromproduktion und der E-Mobility-Ladestationen einsetzen), da damit ihr jährlicher Fixbetrag für die Netznutzung sinkt. Die reduzierte Anschlussleistung führt zu einem geringeren Netzausbau, was wiederum allen zugutekommt und volkswirtschaftlich sinnvoll ist.
- Einfachheit, Klarheit und Transparenz: Mit einer fixen jährlichen Bepreisung ginge eine einfachere Planbarkeit sowie auch das Verständnis für das Netznutzungsmodell einher. Mit einer «Flatrate» für die Netznutzung können Tarifierungsmöglichkeiten für die Energielieferung ausgeschöpft werden, ohne dass die Netztarife falsche Anreize setzen.
Die Umstellung der Entgeltsystematik auf leistungsbasierte Tarife bei kleineren Kundinnen und Kunden ist nicht neu. Ein Blick nach Europa zeigt, dass in diversen Ländern die Problematik der fehlenden Verursachergerechtigkeit erkannt und angegangen wurde: In den Niederlanden gelten für kleinere Kunden bereits seit 2009 leistungsbasierte Netztarife. Kunden zahlen pro Jahr einen fixen Betrag in Abhängigkeit von ihrer Anschlussleistung, die Verrechnung einer energieabhängigen Arbeitskomponente gibt es nicht mehr. Auch in Norwegen, Schweden und Italien wurden leistungsbasierte Netztarife für kleinere Kunden eingeführt.
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