Bis 1958: Die Wasserkraft versorgt die Schweiz
Die Stromproduktion ist zuerst lokal organisiert und wird zusehends regionaler. Dabei produzieren vor allem Wasserkraftwerke rund um die Uhr Strom.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts versorgen erste Laufwasserkraftwerke über einzelne Stromleitungen nahe gelegene Verbraucherinnen und Verbraucher mit Strom. Die Kraftwerke liefern sogenannte Bandenergie und decken den Grundbedarf an Strom ab. Bei Problemen in der Produktion oder Verteilung bleibt der Strom für Mensch und Maschinen jedoch aus.
Erste grosse Pumpspeicherkraftwerke werden gebaut
Nach dem ersten Weltkrieg etablieren sich elektrische Geräte im Haushalt und in der Industrie. Die Nachfrage nach Strom wächst – trotz Wirtschaftskrise – rasant an. Um den Bedarf an Spitzenenergie zu decken, entstehen grosse Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen. So beginnen etwa die Kraftwerke Oberhasli AG die Gewässer im Grimsel- und Sustengebiet für die Stromproduktion zu nutzen. In der Folge werden die Stromnetze laufend ausgebaut.
Das Stromnetz vernetzt die Schweiz
Durch die grösser werdende Distanz zwischen Kraftwerken und Verbraucherinnen und Verbrauchern werden Stromleitungen immer länger, die zentrale Steuerung und Überwachung der Stromnetze auf Höchst- und Hochspannung gewinnt an Bedeutung.
Bis 2011: Das Stromnetz ist (inter-)national
Der Strom wird hauptsächlich von Grosskraftwerken produziert und fliesst fortan zu den Verbraucherinnen und Verbraucher in der ganzen Schweiz. Derweil wird die Stromversorgung ab Mitte des Jahrhunderts von einer nationalen zu einer europäischen Angelegenheit.
Ein grosser Meilenstein in der Geschichte des Schweizer Energiesystems wird 1958 erreicht: In Laufenburg wird das erste transnationale Stromnetz zwischen der Schweiz, Frankreich und Deutschland geschaffen. Weil der Ausgleich neu länderübergreifend stattfinden kann – zum Beispiel bei saisonalen Produktionsschwankungen oder Ausfällen – erhöhen sich die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität für die Schweiz und ganz Mitteleuropa merklich. Gleichzeitig organisiert sich der internationale Stromhandel.
Grosse Kraftwerke versorgen die ganze Schweiz
Ab 1965 entstehen weitere Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen und die fünf Kernkraftwerke der Schweiz werden gebaut. Bis Ende der 1970er Jahre wird aufgrund des stark steigenden Strombedarfs die landesweite Infrastruktur für Stromproduktion, -übertragung und –verteilung errichtet. Dabei werden vor allem die Stromnetze stark erweitert und neu gebaut. Damit gelangt der in den grossen Kraftwerken zentral produzierte Strom mittels Übertragungs- und Verteilnetzen zu den Verbraucherinnen und Verbraucher.
Dezentrale Anlagen gewinnen an Bedeutung
1982 schliesst die Schweiz im Tessin die erste Photovoltaikanlage Europas ans Stromnetz an, ebenso werden ab 1986 erste Windparks gebaut. Die Stromproduktion verantworten hauptsächlich grosse Energieunternehmen.
Seit 2011: Kleine, dezentrale Photovoltaikanlagen läuten Wandel ein
Die dezentrale und schwankende Stromproduktion durch erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Wind verändert die Stromflüsse und erhöht den Leistungsbedarf vor allem im Mittel- und Niederspannungsnetz erheblich. Diese Entwicklungen sorgen für einen fundamentalen Wandel in diesen Netzen.
Die Klimaziele des Bundesrates führen dazu, dass Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden und sich der Individualverkehr elektrifiziert. Auch steigt deswegen die Anzahl der Photovoltaikanlagen seit 2011 merklich an, Obschon 2020 schweizweit bereits über 117'000 Anlagen mit einer installierten Leistung von 2’900 Megawatt gebaut sind, sind erst circa fünf bis 15 Prozent der Ausbauziele des Bundesrates realisiert. Zum Vergleich: Die installierte Leistung der Kernkraftwerke in der Schweiz beträgt per Ende 2020 insgesamt 3’015 Megawatt.
Die Energiewende ist auch eine Leistungswende
Die Stromproduktion entwickelt sich fortlaufend weg von einem Oligopol mit wenigen grossen Unternehmen hin zu einer Struktur mit vielen kleinen, dezentralen Akteurinnen und Akteuren. Es zeichnet sich ab, dass die Anzahl und das Verhalten dieser Prosumer, also Personen, die Energie verbrauchen und produzieren, das Energiesystem künftig prägen wird. Für die Stromnetze bedeuten diese Entwicklungen eine Leistungswende. Einerseits fliesst der Strom neu von den äusseren Netzpunkten zurück zu den zentralen Netzpunkten. Andererseits steigt der Leistungsbedarf im Mittel- und Niederspannungsnetz wegen der stark schwankenden Stromproduktion von Photovoltaik- und Windanlagen sowie des erheblich zunehmenden Spitzenverbrauchs infolge der Elektrifizierung des Individualverkehrs sehr stark an.