Vertiefte Kenntnisse
Niemand kennt das KKM so gut wie die Mitarbeitenden, die teilweise mehrere Jahrzehnte in der Anlage gearbeitet haben. Ihre Kenntnisse sind für den Rückbau von grosser Bedeutung, und so führen wir diesen hauptsächlich mit eigenen Mitarbeitenden durch. Aufgaben wie das Öffnen des Reaktordruckbehälters mit der anschliessenden Verschiebung der Brennelemente aus dem Reaktor ins Lagerbecken haben sie jedes Jahr während der Revision durchgeführt. Hier kann die Erfahrung aus dem Leistungsbetrieb direkt für die Stilllegung angewendet werden. Es sind aber auch neue Fähigkeiten gefragt. Aus den bisher oftmals wiederkehrenden Tätigkeiten werden bei der Stilllegung mehrheitlich einmalige Arbeiten. Auf diesen Wandel haben wir uns rechtzeitig eingestellt und früh vorbereitet. Einerseits haben wir die Organisation an die neuen Aufgaben und Arbeitsbedingungen angepasst, andererseits haben sich die Mitarbeitenden gezielt weitergebildet – beispielsweise im Projektmanagement.
Erfahrungen aus dem Ausland
In der Schweiz sind wir die Ersten, die einen Leistungsreaktor zurückbauen, doch weltweit gibt es über 150 Kernkraftwerke, die momentan zurückgebaut werden oder bereits stillgelegt sind. Wir kennen somit technische und planerische Herausforderungen und knüpfen an die Erfahrungen aus dem Ausland an: Wir pflegen enge Beziehungen zu anderen Rückbauprojekten, tauschen Erfahrungswerte und Know-how international aus und sind somit auf dem Laufenden über die neuesten Fortschritte und Erkenntnisse auf dem Gebiet des nuklearen Rückbaus. Gleichzeitig sind an der Stilllegung des KKM auch Mitarbeitende beteiligt, die bereits Erfahrung im Rückbau von Kernanlagen haben.
Als Beispiel ist die Kooperation mit der Spanischen Organisation für die Entsorgung radioaktiver Abfälle (ENRESA) hervorzuheben. ENRESA ist seit 2010 zuständig für den Rückbau des Kernkraftwerks José Cabrera östlich von Madrid. Das Kernkraftwerk José Cabrera ging 1968 in Betrieb und wurde im April 2006 abgeschaltet. Derzeit ist der Rückbau im Gange und weit fortgeschritten. Zwischen dem KKM und dem Kernkraftwerk José Cabrera findet ein regelmässiger Austausch statt inklusive gegenseitigen Besuchen. Gleichzeitig sind an der Stilllegung des KKM auch Mitarbeitende beteiligt, die bereits Erfahrung im Rückbau von Kernanlagen haben.
Gewisse Rückbauarbeiten, zum Beispiel der Ausbau der Kerneinbauten, also derjenigen Komponenten, die sich während des Leistungsbetriebs im Innern des Reaktors befanden, sind hoch spezialisiert. Dafür lohnt es sich nicht, spezifisches Know-how aufzubauen. Stattdessen setzen wir für solche Arbeiten auf externe Experten.
Die Umsetzung gelingt
Seit Anfang 2020 läuft die Stilllegung und dabei zeigt sich: Der frühe Stilllegungsentscheid und die umfassende Vorbereitung auf die Stilllegung zahlen sich aus. Die KKM-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind bereit für die neuen Aufgaben. Im Rückbau setzen sie das bestehende Wissen aus dem Leistungsbetrieb und die neu erworbenen Kenntnisse ein. Zwischen den oftmals langjährigen KKM-Mitarbeitenderinnen und -Mitarbeitern und den Kolleginnen und Kollegen mit Rückbauerfahrung gibt es einen ständigen Wissensaustausch, von dem alle profitieren. Gleichzeitig lernen alle Beteiligten von Tag zu Tag dazu und können so Prozesse und Abläufe, wo nötig, anpassen und optimieren. Die Erfahrungen, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun beim Rückbau des KKM sammeln, werden später nicht nur in der Schweiz sehr gefragt sein. So eröffnen sich aus der Stilllegung interessante berufliche Perspektiven.
Sicherheit hat oberste Priorität
Die Bevölkerung, die Mitarbeitenden und die Umwelt vor Strahlung schützen: Was während des Leistungsbetriebs galt, ist auch während des Stilllegung unser oberstes Ziel. Darum werden das Personal, die kontrollierte Zone und die Umgebung des KKM laufend radiologisch überwacht.
Während der Stilllegung nimmt das Gefahrenpotenzial in einem Kernkraftwerk ab. Erstens, weil bereits kurz nach dem Abschalten grosse Freisetzungskräfte wie hohe Temperaturen und Drücke fehlen. Zweitens, weil nach und nach radioaktives Material vom Kraftwerksgelände abtransportiert wird. Dennoch gelten auch während der Stilllegung die gleich strengen Vorschriften wie beim Betrieb: Die Schutzvorkehrungen vor Strahlung und die Massnahmen zur Vermeidung von Ereignissen werden so lange aufrechterhalten, bis das KKM keine radiologische Gefahrenquelle mehr darstellt.
Radioaktivität nimmt schnell ab
Die ausgedienten Brennelemente enthalten den grössten Teil der gesamten Radioaktivität des KKM. Bereits drei Monate nach dem Abschalten hat sich diese durch den radioaktiven Zerfall um das 1000-Fache gegenüber dem Betrieb reduziert. Sie verringert sich mit fortschreitendem Rückbau weiter: 2024, wenn alle Brennelemente vom KKM ins Zwilag abtransportiert sind, beträgt sie nur noch einen Millionstel.
Mensch und Umwelt vor Strahlung schützen
Es ist die Aufgabe unserer Strahlenschutzfachleute, Mensch und Umwelt jederzeit vor unzulässiger radioaktiver Strahlung zu schützen. Die Einhaltung der Schutzziele und der gesetzlich erlaubten Strahlenbelastung wird auch während der Stilllegung laufend kontrolliert – nach den gleich hohen Standards wie im laufenden Betrieb. Sämtliche Arbeiten mit radioaktivem Material wie Zerlegen, Reinigen und Verpacken führen wir im Inneren der Gebäude unter Anwendung der erforderlichen Schutzmassnahmen durch. Falls nötig in abgeschlossenen Arbeitsboxen oder abgegrenzten Bereichen mit eigenem gefiltertem Luftkreislauf. Zur Kontrolle der Strahlenbelastung wird das Personal ständig radiologisch überwacht: Innerhalb der kontrollierten Zone tragen alle Personen wie schon während des Betriebs sogenannte Dosimeter, welche die Strahlenbelastung des Personals messen.
Lückenlose Überwachung der radioaktiven Abgaben
Neben sämtlichen Räumen und eingerichteten Arbeitsplätzen in der kontrollierten Zone werden Abluft und Abwasser überwacht. Obwohl wir während der Stilllegung zahlreiche Demontage- und Reinigungsarbeiten durchführen, können wir die bestehenden Abgabelimiten aus dem Leistungsbetrieb für die radioaktiven Abgaben an die Abluft und das Abwasser weiterhin einhalten. Bevor Abwässer chargenweise in die Aare abgegeben werden, werden sie gereinigt und kontrolliert. Eine Abgabe erfolgt nur dann, wenn die Radioaktivität so klein ist, dass Mensch und Umwelt nicht beeinträchtigt werden. Die radioaktiven Abgaben an die Umwelt liegen deutlich unter den gesetzlichen Abgabelimiten und werden auf ein Minimum reduziert – dies gilt für die Stilllegung genauso wie für den Betrieb.