Energiewende und die Strom-Autarkie

Eine ausgeglichene Jahresbilanz eines Haushalts bedeutet nicht, dass dieser autark vom Stromnetz wird. Ursache dafür ist, dass die lokale Produktion praktisch nie zum zeitgleichen lokalen Verbrauch passt. Da Verteilnetze auf die mögliche Maximalbelastung bzw. den maximalen Leistungsbedarf ausgelegt werden müssen, resultiert für sie aus dem massiven Zuwachs von Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen ein erheblicher Ausbaubedarf.

In bisherigen Analysen und Diskussionen wurde oft über Autarkie respektive eine ausgeglichene Jahresbilanz gesprochen. Vielfach führt dies in Gesellschaft und Politik zu der falschen Wahr-nehmung, dass mit lokaler Produktion und lokalem Verbrauch die Verteilnetze entlastet würden. Die lokale, volatile Stromproduktion eines einzelnen Haushalts passt aber praktisch nie zu dessen gleichzeitig auftretendem Strombedarf. Das heisst, kurzfristig zu viel produzierter Strom – z. B. aus Photovoltaik – muss über das Verteilnetz abgeführt werden. Umgekehrt möchten beispielsweise nachts, wenn die Photovoltaik-Anlagen keinen Strom produzieren, viele Haushalte ihr Elektroauto laden, und beziehen dazu Strom aus dem Netz. Dieser Strom wird von anderen Energiequellen an anderen Orten erzeugt und kann nur mithilfe des Stromnetzes zum jeweiligen Elektroauto gelangen.

Lokale Erzeugung und lokaler Verbrauch am selben Ort haben folglich nur eine sehr geringe sich gegenseitig abschwächende Wirkung auf den Ausbaubedarf des Verteilnetzes. Dieses muss stets auf die mögliche gleichzeitige Maximal-belastung ausgelegt werden. Durchschnitts- oder Jahresenergiebetrachtungen führen zu massiv falschen Ergebnissen.

Der dezentrale Leistungsbedarf sowohl in der Erzeugung (v. a. durch Photovoltaik-Anlagen) als auch im Verbrauch (v. a. durch Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge) steigt rasant. Um diesen decken zu können, müssen die Verteilnetze erheblich ausgebaut werden.

Monatliche Energiebilanz eines durchschnittlichen Privathaushalts im Jahresverlauf.

Lokale Batterien

Lokale Batterien können die Netzbelastung über einige Tage reduzieren, wenn sie im Sinne der Reduktion der Netzbelastung eingesetzt werden. Bei einer wirtschaftlichen Dimensionierung der Batterien sind diese jedoch nicht in der Lage, zu jedem Zeitpunkt ausreichend Strom zur Verfügung zu stellen oder sämtlichen selbst produzierten Strom zu speichern. Spätestens nach mehreren Tagen Nebel ohne eigene Photovoltaik-Produktion ist die Batterie leer. In diesen Fällen ist der Haushalt mit seiner kompletten Anschlusskapazität wieder auf die Stromversorgung aus dem Netz angewiesen.

Nachbarschafts- und Quartierlösungen, Zusammenschluss zum Eigenverbrauch und lokale Elektrizitätsgemeinschaften

Nachbarschafts- und Quartierlösungen sowie Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) und lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) mildern die Herausforderungen in den Verteilnetzen nicht. Stromnetze funktionieren nach elektrotechnischen und physikalischen Gesetzen: Strom nimmt immer den kürzest möglichen Weg unabhängig davon, was innerhalb dieser Gemeinschaften vertraglich vereinbart wurde. Der Leistungsbedarf bzw. die benötigte Netzkapazität geht durch einen Zusammenschluss nicht zurück und der Ausbaubedarf des Verteilnetzes wird nicht reduziert.

Gemeinden

Die BKW hat ermittelt, wie sich die Autarkie der Gesamtheit aller Netznutzerinnen innerhalb einer Gemeinde in der Energiewende entwickelt. Dazu hat sie die Energieproduktion und den Energieverbrach der Gemeinden in Intervallen von jeweils 15 Minuten analysiert.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Auch bei einer Jahresautarkie der Gemeinden von 100 % übersteigt der Autarkiegrad der 15-Minutenwerte – selbst mit auf Eigenverbrauch optimierten Batteriespeichern – nie den Wert von 37 %. Folglich muss die Gemeinde in 63 % aller 15-Minutenwerte eines Jahres Elektrizität aus dem Verteilnetz beziehen. Exakt auf diese Situationen muss das Verteilnetz ausgelegt werden.