Reduzierte Produktion in den Fabriken, weniger Service bei Behörden und Banken, eingeschränkter ÖV: Wirtschaftsminister Guy Parmelin malte ein düsteres Bild, als er per Video vor einem möglichen Kollaps unseres Stromsystems warnte. Seine Rede richtete sich an Unternehmen, ging aber offenbar auch an Privatpersonen nicht spurlos vorbei. Jedenfalls hat die Solarbranche seither mehr zu tun denn je.
«Die Anfragen sind extrem gestiegen», sagt Sandro De Cubellis von BKW Home Energy. Er berät Solar-Kunden und stellt fest: «Viele erkundigen sich plötzlich nach grösseren Anlagen und Speichern. Stark zugenommen hat zudem die Nachfrage nach Anlagen mit einer Notstrom-Funktion, um bei einem Stromunterbruch weiterhin die Verbraucher im Haushalt versorgen zu können.»
«Viele fragen plötzlich nach Notstrom-Funktionen»
Die ISP Electro Solutions AG, die Solaranlagen plant und installiert und eine Firma aus dem BKW Netzwerk ist, hat ebenfalls Hochbetrieb. «Das Interesse hat stark zugenommen. Schon die Pandemie führte zu einem Branchenwachstum von knapp 50 Prozent. Dieses Jahr rechnen wir nochmals mit einem starken Wachstum», so Roman Grabherr, Leiter des ISP Energy Center.
Der Kundenwunsch, der das Geschäft ankurbelt, ist klar: Unabhängigkeit. Oder im Solar-Fachjargon ausgedrückt: Autarkie. Wer möglichst autark sein will, braucht neben einer Photovoltaikanlage, kurz PV-Anlage, eine Batterie, in der sich die tagsüber gewonnene Energie für die Nacht speichern lässt. «Die Preise dieser Speicher sind die letzten Jahre gesunken und werden noch weiter sinken», betont Sandro De Cubellis.
Was ihn, wie alle Spezialisten, fordert, sind die von den Kunden begehrten Notstrom-Funktionen. Denn um ein Haus trotz eines Stromausfalls mit Not- oder Ersatzstrom zu versorgen, braucht es die richtige Technik. «Dieses wachsende Kundenbedürfnis erfordert ein erweitertes Produktportfolio und spezialisierte Kenntnisse », sagt Sandro De Cubellis. «Viele fragen plötzlich nach Notstrom-Funktionen» Sandro De Cubellis, BKW.
Das hat auf personeller Ebene Auswirkungen. Roman Grabherr: «Es braucht den politischen Willen, die Kernkraftwerke zu ersetzen. Aber es braucht auch die Fachkräfte, die die Arbeiten verrichten. Das ist eine grosse Herausforderung in der Rekrutierung, denn es ist eine Quereinsteiger-Branche.» Es gebe keine klassische Ausbildung zum Photovoltaik- Spezialisten. Meist seien es Elektriker, Dachdecker und Ingenieure, die wechselten.
«Es ist möglich, die Einspeisung über die Anlagen-Software zu deckeln»
Für das Schweizer Stromnetz hat es ebenfalls Folgen, wenn angesichts der Energiewende 2050 immer mehr Solarenergie erzeugt wird. Denn die Energie, die nicht dort verbraucht oder gespeichert wird, wo sie hergestellt wird, muss ins Netz eingespeist werden. Das kann bei Produktions-Spitzenzeiten im Sommer zu Überlastungen führen. «Doch es ist möglich, die Einspeisung über die Anlagen-Software zu deckeln», sagt Roman Grabherr. Peak Shaving nennt sich das in der Fachsprache – zu Deutsch: Abrasieren der Spitze.
Dass – neben Grösse und Kosten einer Solaranlage – solche Fragen sowie Fragen zum Netzanschluss für die Kunden geklärt werden, gehört zum Servicepaket von BKW Home Energy. Einbezogen werden auch Anliegen zur E-Mobilität oder zum Zusammenschluss für den Eigenverbrauch, kurz ZEV genannt. Letzterer bedeutet, dass Hausbesitzer Mietern Strom vom eigenen Dach verkaufen können. Auch das erhöht den Verbrauch vor Ort, wodurch weniger Solarstrom ins Netz eingespeist werden muss.
BKW Home Energy ist dabei modular. «Die Kunden können ihr Energiesystem nach und nach ausbauen und optimieren – ohne begleitende Architekten oder Bauingenieure», sagt Grabherr. Er betont: «Wir bieten alles aus einer Hand und begleiten die Kunden über den gesamten Produkt-Lebenszyklus. Es ist eine Energielösung fürs Leben.»
Ohne Ausbau der Stromnetze geht es nicht
Andreas Ebner, Leiter Netzplanung und Projekte bei der BKW Power Grid, über das Stromnetz der Zukunft.
Andreas Ebner, was bedeutet die grosse Nachfrage nach Solaranlagen für unser Stromnetz?
Andreas Ebner: Sie wird sich stark auf das Mittel- und Niederspannungsnetz auswirken, wo all diese PV-Anlagen angeschlossen werden. Das Verteilnetz wird dadurch mit hohen Einspeisespitzen und zuweilen umgekehrten Energieflüssen konfrontiert. Da das Netz für diese Leistungssteigerung zu schwach ist, muss dessen Kapazität erhöht werden. Auch die zunehmende Elektrifizierung des Individualverkehrs erhöht den Kapazitätsbedarf im Verteilnetz.
Wie viele neue PV-Anlagen und Elektrofahrzeuge kann unser Netz verkraften?
Egal wie viele PV-Anlagen ins Netz einspeisen oder wie viele Elektrofahrzeuge geladen werden: Bestimmend ist die mögliche gleichzeitige Maximalbelastung in jedem Abschnitt des Netzes. Die Kapazität jedes Netzabschnitts muss daher auf dessen Maximalbelastung ausgelegt werden. Diese steigt mit der Umsetzung der Energiewende stark an. Es ist also nicht die Frage, wie viele Anlagen das Verteilnetz verkraftet, sondern wie viel und wie schnell wir das Verteilnetz verstärken und ausbauen müssen.
Was kostet der Ausbau des Stromnetzes?
Um den Netzausbau und die Kosten zu optimieren, simulieren und automatisieren wir die Planung des Netzes. Dazu nutzen wir künstliche Intelligenz und verbinden zudem unser Wissen über den Betrieb eines Verteilnetzes mit öffentlich verfügbaren Informationen und Datenbanken. Von uns entwickelte Algorithmen rechnen zum Beispiel jede Nacht das Stromnetz der BKW durch, um freie Netzkapazitäten für den Anschluss neuer Photovoltaikanlagen zu ermitteln. Wir berechnen mit diesen Algorithmen auch den Netzausbau. Eine Studie von BKW Power Grid und der Uni Genf besagt, dass bei Umsetzung der Energiewende allein der Ausbau des Schweizer Niederspannungsnetzes 11 Milliarden Franken kosten wird.
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