«Wir haben die BKW gezielt entwickelt, damit sie solche Chancen nutzen kann»

Das Jahr 2022 war geprägt von historischen Verwerfungen an den Energiemärkten. Die BKW konnte diesen Turbulenzen nicht nur standhalten, sondern einen rekordhohen EBIT von 1.04 Milliarden Schweizer Franken erzielen. Dazu sagt CFO Ronald Trächsel im Interview: «Die BKW ist ein starkes Unternehmen mit einer soliden finanziellen Basis und einer Strategie, die es uns ermöglicht, die sich bietenden Opportunitäten optimal zu nutzen.»

Ronald Trächsel, die BKW hat 2022 einen rekordhohen EBIT von 1,04 Milliarden Franken erwirtschaftet. Wie beurteilen Sie als CFO diese Zahl?

Ronald Trächsel: Den hervorragenden EBIT von über einer Milliarde Franken konnten wir erzielen, weil unsere Strategie im Energiegeschäft im vergangenen Jahr voll zum Tragen kam und wir die finanzielle Kraft hatten, in den turbulenten Märkten zu bestehen. Die BKW ist ein starkes Unternehmen mit einer soliden finanziellen Basis und einer Strategie, die es uns ermöglicht, die sich bietenden Opportunitäten optimal zu nutzen.

Macht das Energiegeschäft endlich wieder «fun»?

Gut gehende Geschäfte machen immer Spass. Fakt ist: Der Geschäftsbereich Energie hat 2022 den operativen Gewinn mehr als verfünffacht und einen EBIT von beinahe 900 Millionen Franken erreicht. Dank diesem Gewinn im Energiegeschäft können wir den EBIT-Rückgang bei den Dienstleistungen und den Netzen nicht nur auffangen, sondern sogar überkompensieren. Das ist ein weiterer Beweis dafür, wie gut die Strategie der BKW mit den drei Säulen Energie, Dienstleistungen und Netze funktioniert. Auf mindestens eine dieser drei Säulen konnten wir uns bisher immer verlassen. 2022 war es die Energie. In den Jahren zuvor waren es die Dienstleistungen und die Netze, die der BKW trotz sinkender Strompreise stabile oder steigende Erträge ermöglicht haben.

Hat die BKW beim Verkauf ihrer Stromproduktion von den hohen Preisen profitiert?

Direkt profitieren wird sie von den gestiegenen Preisen erst in den nächsten Jahren. Wir sichern unsere Produktion in der Regel drei Jahre im Voraus ab, weshalb wir die direkten Auswirkungen erst in 2025 und 2026 sehen werden. Dem Handel haben aber die höheren Preise und insbesondere die hohe Volatilität geholfen. Die hohen Preise haben aber auch negative Effekte: Fällt eines unserer Kraftwerke aus oder haben wir zu wenig Wasser für die Produktion, müssen wir die Energie, welche wir am Markt ja bereits verkauft haben, zu teuren Preisen ersatzbeschaffen.

Also beruht die EBIT-Steigerung im Geschäftsfeld Energie von 534 Prozent (von 140 MCHF auf 886 MCHF) beinahe ausschliesslich auf der Bewirtschaftung des Handels?

Das ist so. Drei Faktoren erklären dieses Ergebnis: Ein höchst erfolgreiches und aktives Management der offenen Spread-Positionen, die starken Verwerfungen sowie die höheren Preise, welche wir für die Systemdienstleistungen erhalten haben. Letztere werden benötigt, um die Netzstabilität sicherstellen zu können.

Wie funktioniert das Management von offenen Spread-Positionen?

Wir sichern unsere Stromproduktion drei Jahre im Voraus ab. Da der Schweizer Markt zu klein ist, können wir diese nicht in der Schweiz verkaufen. Wir müssen also in den deutschen oder französischen Markt gehen. Diese Märkte sind in der Lage, vernünftige Terminpreise auf drei Jahre hinauszustellen. Dadurch entstehen zwangsläufig sogenannte Spreads, weil sich die Preise in Deutschland und Frankreich bis zum Lieferzeitpunkt in drei Jahren nicht genau parallel zur Schweiz entwickeln werden. Diese Unterschiede (Spreads) werden vom Handel aktiv bewirtschaftet, so dass unter dem Strich ein Gewinn entsteht. In 2022 ist das ausgezeichnet gelungen.

«Wie alle unsere Mitbewerber mussten auch wir aufgrund der gestiegenen Preise hohe Sicherheitshinterlegungen leisten. Dank unserer soliden Finanzposition und einem agilen Liquiditätsmanagement konnten wir diese Zahlungen jederzeit aus eigener Kraft sicherstellen.»
Ronald Trächsel, CFO BKW

Warum waren unsere Händlerinnen und Händler dabei so erfolgreich?

Wie alle unsere Mitbewerber mussten auch wir aufgrund der gestiegenen Preise hohe Sicherheitshinterlegungen leisten. Dank unserer soliden Finanzposition und einem agilen Liquiditätsmanagement konnten wir diese Zahlungen jederzeit aus eigener Kraft sicherstellen. Unser Handel war somit nicht gezwungen, aus Liquiditätsgründen Trades zu suboptimalen Zeitpunkten zu schliessen, sondern konnte die Positionen so lange halten, wie dies aufgrund der Fundamentalstrategie angezeigt war. Der finanzielle Handlungsspielraum in Kombination mit der erfolgreichen Fundamentalstrategie haben es möglich gemacht, während der starken Preisverwerfungen im dritten Quartal und der nachfolgenden Normalisierung Gewinne zu realisieren.

Im Gegensatz zum Handel haben die Netze sechs Prozent weniger Umsatz erzielt und es kam zu einem EBIT-Rückgang um 28 Prozent von 202 Millionen auf 146 Millionen Franken. Weshalb?

Das warme Wetter sorgte für eine tiefere Durchleitungsmenge. Zudem hat die BKW, wie in 2021 angekündigt, die eigenen Tarife gesenkt, während sie von der Swissgrid höhere Tarife in Rechnung gestellt bekam.

Die Dienstleistungen konnten zwar beim Umsatz zulegen, doch der EBIT ist rückläufig. Aus welchen Gründen?

Der EBIT bei den Dienstleistungen ist von 92 Millionen Franken aus dem Vorjahr auf 53 Millionen Franken gesunken. Schwierigkeiten in der Supply Chain, höhere Materialpreise, Fachkräftemangel und hohe Covid-Absenzen im ersten Halbjahr haben den Dienstleistungen zu schaffen gemacht. Zudem wurden verschiedene Neubewertungen vorgenommen, welche zu einem negativen Effekt von rund 40 Millionen Schweizer Franken führten. Die Umsatzentwicklung hingegen ist mit einem Plus von 16 Prozent weiterhin positiv und auch der Auftragsbestand ist hervorragend und bildet eine gute Basis für 2023.

Wie geht es weiter?

In allen Dienstleistungsgeschäften wurden «Fitness-Programme» gestartet, welche sowohl die strukturellen wie auch die prozessualen Defizite adressieren. Ansonsten setzen wir unsere erfolgreiche Wachstumsstrategie fort, welche wir im Jahr 2021 am Capital Markets Day kommuniziert haben. Mit dem hervorragenden Ergebnis 2022 hat sich die Basis dazu weiter verbessert.

Geschäftsbericht 2022

Geschäftsbericht 2022

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