Sieben Kandidierende, zwei Sitze, ein Thema: Die Energie-Arena zur Ständeratswahl

Am 22. Oktober 2023 wählt die Schweiz ein neues Parlament. Der Wahlkampf um die beiden Sitze im Ständerat im Kanton Bern ist im vollen Gang. Gleich alle grossen Parteien im Kanton Bern erheben Anspruch auf einen Sitz im «Stöckli». Sieben Kandidierende für zwei Sitze verspricht eine spannende Ausgangslage. Wie sie sich im Bereich der Energiepolitik positionieren und wo sie im Ständerat ihre Schwerpunkte setzen möchten, war Thema bei der Energie-Arena zur Ständeratswahl.

Leistungs­erbringer

Während drei Diskussionsrunden debattierten die Kandidierenden im Duell respektive Triell rund um die Energiepolitik. Wer gegen wen antrat und zu welchem Thema sie diskutieren, entschied jeweils kurzfristig das Los. Für die erste Runde zum Thema «Ausbau Erneuerbare: Fluch oder Segen?» trafen im Triell Nationalrat Marc Jost (EVP), Nationalrat Jürg Grossen (GLP) und Grossrätin Sandra Hess (FDP) aufeinander.

Ausbau erneuerbare Energien: von Bandenergie hin zur schwankenden Stromproduktion aus Wasser, Wind und Solar

Die drei Kandidierenden waren sich einig: Die erneuerbaren Energien müssen zwingend rasch ausgebaut werden, damit die Schweiz die Energiewende stemmen kann. Für Marc Jost ist die Energiewende gar «eine ethische Verpflichtung», wie er ganz zu Beginn festhält. Denn die Folgen des Nichtstuns sind erschreckend und gefährde Existenzen. Doch betrachtet man das Energiesystem der Schweiz genauer, müssen nicht nur die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, das System müsse laut Jürg Grossen auch angepasst werden. Wie der GLP-Nationalrat erklärt, sei unser System derzeit auf Bandenergie ausgelegt. Beispielsweise werden Wärmeboiler nachts aufgeheizt, vielerorts gibt es nachts einen Niedertarif, um den konstant produzierten Strom aus der Kernkraft dann zu nützen, wenn er überschüssig ist. Dieses System müsse laut Nationalrat Grossen nun auf die Produktion der erneuerbaren Energien, wovon vor allem die PV-Anlagen nur während dem Tag produzieren, angepasst werden.

Marc Jost fügt hinzu, dass neben den Produktionsfluktuationen zwischen Tag und Nacht bei Erneuerbaren ein weiterer Knackpunkt hinzukommt: Der saisonale Unterschied zwischen Sommer und Winter. «Der Schlüssel dazu ist eine gute Beziehung zur EU, denn ohne EU haben wir einen Stromengpass im Winter». Darum brauche es rasch ein entsprechendes Stromabkommen mit der EU, ergänzt der EVP-Nationalrat.

Ausbau erneuerbare Energie: Eine Abwägung zwischen Schutz- und Nutzinteresse

Der Ausbau von erneuerbaren Energien steht oftmals im Konflikt mit dem Naturschutz. Wie können also Solaranlagen, Windräder oder Wasserkraftwerke ausgebaut werden, wenn aus Umweltschutzkreisen stark dagegengehalten wird? Ständeratskandidatin Sandra Hess bereitet diese Herausforderung Sorgen. «Wir können nicht auf der einen Seite die Klimaneutralität fordern, während sich in der Realität zeigt, dass die Bevölkerung die Ausbauprojekte zwar gut findet, aber nicht im eigenen Garten». Die FDP-Grossrätin hält fest: «Es muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen», damit erneuerbare Produktionsanlagen zustande kommen. Jürg Grossen pflichtet ihr bei, denn seiner Meinung nach komme momentan der Ausbau der Erneuerbaren vor dem Schutzinteresse. Aber der GLP-Nationalrat relativiert und ergänzt, dass es viele neue Projekte gäbe, welche in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden entstehen, wie zum Beispiel das Laufwasserkraftwerk Augand. «Der Scheinwerfer ist stark darauf gerichtet, was nicht funktioniert», sagt Grossen und fordert auch die Medien dazu auf, vermehrt den Fokus auf Erfolgsgeschichten zu legen.  

Die gleiche Problematik zeigt sich bei der Umsetzung des Solarexpresses. Das Parlament hat den Weg frei gemacht für den schnellen Zubau von alpinen Solaranlagen. Aber in der Umsetzung zeigen sich die Herausforderungen: Eine entsprechende Netzinfrastruktur fehlt oftmals in den abgelegenen Bergregionen, wo alpine PV-Anlagen gebaut werden könnten. Nationalrat Marc Jost sieht dabei folgende Lösung: «Manchmal ist der gemächliche Berner Weg der bessere, als wenn man grosse Projekte zu schnell angeht.» Denn der Regierungsrat des Kantons Bern habe bewusst früh den Dialog mit den Naturschutzverbänden und den Unternehmen, die eine alpine PV-Anlage bauen wollen, gesucht. Am runden Tisch wurden folglich alpine PV-Projekte insbesondere dort geplant, wo der Netzanschluss vorhanden respektive möglich sei. So komme man Schritt für Schritt erfolgreicher ans Ziel.

Im Hintergrund ist das Podium mit den drei Kandidierenden zu sehen. Im Vordergrund ist eine Kamera und der Kamera von hinten abgebildet.
Der Event wurde von TeleBärn aufgezeichnet und zu einem späteren Zeitpunkt als «TalkTäglich» ausgestrahlt.

Ob dann ein Blackout notwendig wäre, fragt die Moderatorin, Michelle Steiner-Bernhard, damit die Bevölkerung Ja sagt zum Ausbau von Erneuerbaren. «Nein, wir brauchen definitiv kein Blackout, das wollen wir alle nicht erleben», stellt Sandra Hess von der FDP klar. Aber wenn man wirklich etwas ändern wolle, dann bräuchte es sachliche Überzeugungsarbeit für den dringend notwendigen Ausbau, ohne in der Bevölkerung Panik vor einer Strommangellage zu verbreiten.

«Der Netzausbau ist der Flaschenhals der Energiewende»

Der Ausbau erneuerbaren Energien bedingt auch einen Ausbau des Stromnetzes, sodass die Energie von der Produktionsstätte zur Steckdose transportiert werden kann. Für die zweite Diskussionsrunde über diese Herausforderung wurden Nationalrat Lorenz Hess von der Mitte und Alt-Regierungsrat Bernhard Pulver von den Grünen ausgelost.

Ständeratskandidat Lorenz Hess hält zu Beginn fest: «Bei all dem, was wir diskutieren, sind wir uns nicht bewusst, dass der Netzausbau der Flaschenhals der Energiewende ist. Unsere Grossväter haben die Wasserkraft gebaut, unsere Väter haben die Kernkraftwerke gebaut und wir müssen den Bau erneuerbaren Energien angehen». Und dies gelingt nur, wenn gleichzeitig auch das Netz ausgebaut wird.

Aber wie ist dieser Netzausbau möglich? Diese Frage beantwortet Alt-Regierungsrat und Ständeratskandidat der Grünen mit Mechanismen der Abriegelung: «Wenn die gesamte Leistung einer PV-Anlage immer ins Netz eingespeist werden muss, benötigt es einen enormen Netzausbau. Wenn man aber diese Einspeisekapazität reguliert, kann so auch der Netzausbau und somit die Investitionskosten gesenkt werden».

«Wenn die Einspeisekapazität reguliert wird, kann der Netzausbau und somit die Investitionskosten gesenkt werden.»
Alt-Regierungsrat Bernhard Pulver

Der Mitte-Ständeratskandidat Hess bringt die unterschiedlichen Netztarife ins Spiel. Denn diese seien oft von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Sein Kontrahent, Bernhard Pulver, sieht die Lösung in der Strommarktöffnung. So könnten Kundinnen und Kunden selbst wählen, zu welchem Marktmodell sie den Strom beziehen wollen und auch bei welchem Anbieter. Auch Lorenz Hess findet es stossend, dass die Tarife für Konsumentinnen und Konsumenten so unterschiedlich sind. Aufgrund der steigenden Netznutzungskosten merke der Konsument gar nicht, dass der Energietarif eigentlich sinke. «Es ist zu wenig transparent, wie die Netznutzungskosten zustande kommen. Dort ist eine gewisse Regulierung angebracht», hält Mitte-Ständeratskandidat Lorenz Hess fest.

Energieeffizienz durch Markt oder Regulierung?

Bei der dritten und letzten Diskussionsrunde trafen Nationalrätin Flavia Wasserfallen und Ständerat Werner Salzmann aufeinander. Letzterer wird bei der Ständeratswahl im Oktober als Bisheriger kandidieren. Im Fokus der Debatte stand die Energieeffizienz: Soll der Markt sich selbst regulieren oder braucht es Vorschriften?

Zuerst diskutierten die beiden Ständeratskandidierenden über die Frage, ob eine komplette Strommarktöffnung die Effizienz begünstigen würde. Für SP-Ständeratskandidatin, Flavia Wasserfallen ist der Fall klar: «Ich bin überzeugt, dass es keinen weiteren Liberalisierungsschritt braucht.» Durch die Trockenheit sowie der Ausbruch des Krieges gab es starke Verwerfungen am Strommarkt. Darauf wollten einige Unternehmen, welche ihren Strom am offenen Markt beschafften, wieder zurück in die Grundversorgung. In der Grundversorgung ist man bis zu einem gewissen Grad geschützt. Daher erachtet Nationalrätin Flavia Wasserfallen den teilweise geschlossenen Markt in der aktuellen Situation als geeignetes System.

Neben der Energieeffizienz kommt SVP-Ständerat Salzmann auf die lange Bewilligungsverfahren für den Ausbau der Erneuerbaren zu sprechen. Er erachtet es als schier unmöglich, die Stromlücke mit Erneuerbaren zu schliessen und sieht die Lösung in der CO2-neutralen Kernkraft. «Die noch laufenden Kernkraftwerke müssen möglichst lange am Netz bleiben. Auch müssen wir offen sein für alle Technologien». Dem widerspricht Nationalrätin Flavia Wasserfallen und erachtet auf dem Weg der Energiewende die Kernkraft als keine sinnvolle Lösung. Auch für die Kernkraft gäbe es sehr lange Bewilligungsverfahren – ausserdem sei davon auszugehen, dass der Widerstand noch grösser sei als bei Ausbauprojekten von erneuerbarer Stromproduktion.

Zurück zur Energieeffizienz: Die Moderatorin, Michelle Steiner-Bernhard, hält fest, dass sich viele Leute im heissen Sommer eine Klimaanlage anschaffen, welche wiederum Strom benötigt. Ist es energieeffizient, wenn im heissen Sommer alle auf die Klimaanlage wechseln? SVP-Ständeratskandidat Salzmann antwortet darauf mit einem Schmunzeln: «Wenn alle eine Solaranlage auf dem Dach haben und dann ihren eigenen Strom für die Klimaanlage brauchen, sehe ich hier kein Problem».

Zum Abschluss der Energie-Arena hatten alle sieben Ständeratskandidierende nochmals das Wort. Ihr Abschlussstatement finden Sie im folgenden Video.

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Kommentare (1)

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  • ich würde einen offenen strommarkt begrüssen , die derzeitige situation ähnelt mehr einer dikatur als einer kundenbeziehung


    auch frage ich mich schon seit langem wie sich der preis von atomstrom zusammensetzt..... die müll entsorgung ist bekanntlich ja sehr teuer und aufwändig ,


    wird das in den gestehungskosten berücksichtigt? auch ist unterhalt , reparatur sowie die beschaffung der brennstäbe auch teuer nebst dem personalaufwand

    Antworten auf Kommentar

    • Guten Tag


      Die gesamten Stilllegungs- und Entsorgungskosten, die bereits angefallen sind und noch anfallen werden, belaufen sich auf drei Milliarden CHF. Dabei entfällt eine Milliarde CHF auf die Stilllegung.


      Die Finanzierung ist sichergestellt. Die zur Finanzierung der Stilllegung und der Entsorgung benötigten Mittel sind in den vom Bund kontrollierten Fonds, dem Stilllegungs- und dem Entsorgungsfonds, sichergestellt und dem direkten Zugriff der BKW entzogen. 


      Freundliche Grüsse


      BKW