Lokale Elektrizitätsgemeinschaften bringen keinen Mehrwert für das Stromnetz

Mit dem neuen Stromgesetz besteht die Möglichkeit, in einem Quartier eine sogenannte lokale Elektrizitätsgemeinschaft zu bilden. Somit ist es dem Betreiber einer Solaranlage möglich, seinen Strom beispielsweise seiner Nachbarin im gleichen Quartier zu verkaufen. Für diesen Strom direkt von der Solaranlage wird dabei ein Abschlag auf dem Netznutzungstarif gewährt. Warum dies ausschliesslich ein Förderinstrument für die Solaranlage ist und es nicht das Netz entlastet, erklärt dieser Beitrag.

Leistungs­erbringer

Das Schweizer Stimmvolk hat am 9. Juni 2024 das Stromgesetz mit 69 Prozent deutlich angenommen. Damit ist es zukünftig möglich, die lokal erzeugte Elektrizität (z.B. durch eine Solaranlage) innerhalb des Quartiers oder der Gemeinde zu vermarkten. Dieser Zusammenschluss innerhalb eines Quartiers wird lokale Elektrizitätsgemeinschaft (LEG) genannt. Daran teilnehmen können Prosumer, Speicherbetreiber, «normale» Endverbraucher und Erzeuger, welche im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene sind und örtlich nahe beieinander liegen. Der Vorteil für die LEG-Teilnehmenden: Der selbst erzeugte Strom kann innerhalb der LEG als interner Strom gehandelt werden, wobei ein reduzierter Netznutzungstarif gilt. Innerhalb der Gemeinschaft fliesst der Strom über das öffentliche Stromnetz.

LEG ist in erster Linie ein zusätzliches Förderinstrument für Solarstrom

Der Stromtarif setzt sich aus Energietarif, Netznutzungstarif sowie Abgaben zusammen. Mit der Netznutzung wird die Nutzung des Stromnetzes für den Transport der Energie abgerechnet. Bei lokalen Elektrizitätsgemeinschaften wird für den Transport der Energie aus den lokalen Produktionsanlagen ein reduzierter Netznutzungstarif verrechnet. Dieser Abschlag auf dem Netznutzungstarif beträgt gemäss Verordnungsentwurf 30 Prozent.

Beispiel: In einem Quartier gibt es zwei Einfamilienhäuser mit jeweils einer Solaranlage. Zusammen mit ihren drei Nachbarhäusern bilden sie eine LEG. Wenn nun die Sonne scheint, bezieht der Nachbar ohne Solaranlage den Strom vom Haus nebenan mit Solaranlage. Dabei bezahlt er aber nicht den regulären Stromtarif: Für die bezogene Energie vom Nachbardach vereinbart er den Energietarif direkt mit seinem Nachbarn und für die Nutzung des Stromnetzes wird der reduzierte Netznutzungstarif in Rechnung gestellt.

Abgebildet ist eine Grafik von einer Strassenkreuzung mit Einfamilienhäuser rundherum. Zwei der sechs abgebildeten Häuser haben eine Solaranlage. Diese beiden Häuser und zwei weitere haben sich zu einer LEG zusammengeschlossen. Aber sie sind nicht direkt miteinander verbunden mit einem Stromnetz.
In einem Quartier gibt es zwei Einfamilienhäuser mit jeweils einer Solaranlage. Zusammen mit ihren zwei Nachbarhäusern bilden sie eine LEG.

Damit sollte für den Verbraucher der Strom von der benachbarten Solaranlage zum Zeitpunkt der Produktion günstiger sein, als wenn er ihn gleichzeitig vom Energieversorgungsunternehmen beziehen würde. Der lokale Stromproduzent kann dabei einen höheren Energietarif fordern, als er über die Rückliefervergütung oder am freien Markt einnehmen würde, beziehungsweise einen Anteil des eingesparten Netztarifs für sich reklamieren. Hierüber entsteht ein Anreiz, lokal Photovoltaik auszubauen. Überdies kann im Idealfall erreicht werden, dass auch Kundinnen und Kunden ohne eigene Solaranlage damit beginnen, ihr Verbrauchsverhalten anzupassen. Im künftigen Energiesystem wird es zunehmend von Bedeutung sein, dass der Stromverbrauch dem Angebot folgt.

Eine lokale Elektrizitätsgemeinschaft bringt keine Entlastung für das Stromnetz

Lokale Elektrizitätsgemeinschaften mildern die Herausforderungen für die Verteilnetze im Allgemeinen nicht. Stromnetze funktionieren nach elektrotechnischen und physikalischen Gesetzen: Der Strom nimmt immer den kürzest möglichen Weg – unabhängig davon, was innerhalb dieser Gemeinschaften vertraglich vereinbart wurde. Der Leistungsbedarf respektive die benötigte Netzkapazität geht allein durch einen Zusammenschluss nicht zurück und der Ausbaubedarf des Verteilnetzes wird nicht reduziert. Der Netzausbaubedarf wird erst dann reduziert, wenn die Kundinnen und Kunden ihre Einspeise- und Bezugsspitzen am Anschlusspunkt dauerhaft reduzieren und zum anderen sich durch den Zusammenschluss die Leistungsspitzen (oder die Stromflüsse) das ganze Jahr reduzieren.

Tatsächlich bleiben beispielsweis im Winter oder bei schlechtem Wetter die Stromflüsse erfahrungsgemäss jedoch unverändert. Bei einer rein finanziellen Optimierung kann es durch lokale Elektrizitätsgemeinschaften sogar zu zusätzlichem Netzausbaubedarf kommen – etwa, wenn die Gemeinschaft die Lastspitzen ihrer Mitglieder und damit die benötigte Anschlusskapazität bzw. die Belastung des Verteilnetzes erhöht.

Foto von zwei Häusern in einer Siedlung. Auf dem Flachdach beider Häuser ist eine Solaranlage installiert.

Für eine tatsächliche Netzentlastung braucht es die richtigen Anreize

Der Zubau an erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Energiewende. Doch es ist essenziell, dabei auch an das Stromnetz und seine Kosten zu denken. Wird – wie bei der LEG – über einen Tarifabschlag ein Anreiz geschaffen, beim lokalen Produzenten Energie zu beziehen, führt dies – wie gezeigt – nicht zur Reduktion der Netzkosten. Die Energiewende per se führt zu Netzausbaubedarf – will man diesen in Grenzen halten, braucht es die richtigen Anreize für eine effiziente Nutzung des Stromnetzes.

Netzkostenanstieg durch effiziente Tarifierung bremsen

Die Anschlussleistung der Kundinnen und Kunden, also die «Stärke des Anschlusses», definiert, wieviel in das Netz eingespeist oder aus dem Netz bezogen werden kann. Damit ist vereinfacht auch definiert, wir stark das Netz ausgebaut werden muss, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Der Netzausbaubedarf und die damit verbundenen Kosten werden somit durch die Anschlussleistung bestimmt und über die Netznutzungstarife den Kundinnen und Kunden weiterverrechnet. Aktuell zahlen die meisten Endverbraucher ihren Anteil an den Netzkosten zu mindestens 70 Prozent auf Basis der bezogenen Strommenge. Eine Reduktion der bezogenen Strommenge senkt damit den individuellen Beitrag eines Verbrauchers an die Netzkosten. Die Kosten des Netzes selbst beeinflusst dies aber nicht. Erst wenn die bezogene Leistungsspitze dauerhaft reduziert werden kann, z.B. durch Gebäudeautomation, kann der Netzausbau verringert werden, was wiederum allen zugutekommt. Mit einer Anpassung der bestehenden regulatorischen Tarifierungsbestimmungen weg von der bezogenen Strommenge hin zum Leistungsbedarf des Verbrauchers werden die Kosten dem Verbraucher reflektiert und somit der Stromnetzausbaubedarf reduziert.

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Kommentare (2)

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  • Weiter kommt dazu, dass die privaten PV-Anlage-Betreiber weiterhin bestrebt sind, ihre Anlagen möglichst optimal zu betreiben. Bei den nun durch den VSE empfohlenen sehr tiefen Rückliefertarifen nach Referenzmarktpreis sind diese weiter gefordert, Lösungen zu suchen. Der Handlungsspielraum der Anlagebetreiber ist schon jetzt sehr klein. Es spielt kein Markt für die Abnahme und Bezug von PV-Strom. Mit anderen Worten sind die privaten Prosumer dem Netzbetreiber ausgeliefert. Hier soll und muss es Möglichkeiten für die privaten Betreiber geben.

  • Danke für den klärenden Bericht betreffend LEG. Ihre Standpunkte kann ich nachvollziehen. Ich verfolge nun schon seit einiger Zeit die Möglichkeiten meinen überschüssigen Strom via LEG im Quartier zu verkaufen. Auch die Möglichkeit dies mit anschliessender vernetzter Gebäudeautomation noch zu optimieren, interessiert mich sehr. Wenn zum Beispiel das Warmwasser oder das Elektroauto meines Nachbarns ohne PV-Anlage geladen wird, währen auf meinem Dach Überschuss besteht ist doch netzdienlich. Wenn dann im LEG noch Batterien hinzukommen wird dies noch verstärkt. Mir ist klar, dass im Winter bei schlechtem Wetter alle im LEG Strom beziehen. Das bestehende Netz ist schon vorhanden für die Lieferung an die Strombezüger. Den Netzausbau für die unkoordinierten Rückspeisungen aus PV-Anlage könnte aber bedeutend reduziert werden.