Als Martin Saxer am 1. Januar 2012 Leiter des Kernkraftwerks Mühleberg (KKM) wurde, lag ein turbulentes Jahr hinter der Schweizer Kernenergie. Noch im Februar 2011 hatte sich die Stimmbevölkerung des Kantons Bern an der Urne für ein neues Kernkraftwerk in Mühleberg ausgesprochen. Weniger als einen Monat später kam es zum Reaktorunglück in Fukushima. Die Folge: Im Mai entschied der Bundesrat, mittelfristig aus der Kernenergie auszusteigen. Und die Aufsichtsbehörde, das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI, verfügte Nachrüstmassnahmen.
Zwei Seelen in der Brust
2011 sollte nicht das einzige bewegte Jahr bleiben: Im März 2013 erhielt das KKM zum ersten Mal in seiner Geschichte eine unbefristete Betriebsbewilligung. Zu diesem Zeitpunkt befasste sich die BKW schon intensiv mit einer Frage: «Lohnt sich der Langfristbetrieb des KKM oder lohnt er sich nicht?» Am 30. Oktober 2013 dann der Entscheid: Das KKM wird nicht für den Langfristbetrieb nachgerüstet und geht per Ende 2019 vom Netz.
Martin Saxer war damals schon seit 21 Jahren im KKM. Als Jugendlicher hatte er zwar Kernkraftwerke besichtigt, aber nie gedacht, einmal selber in einem solchen zu arbeiten. Es kam anders: Nach der Ausbildung zum Elektroingenieur arbeitete der gebürtige Glarner in Murten bei Saia Burgess und wollte sich beruflich weiterentwickeln. Von einem Freund aus dem KKM wusste er, dass Ingenieure gesucht wurden. Er bewarb sich und stieg 1992 in der Elektrotechnik ein. Dort führte er unter anderem Projekte im Bereich der Steuerung des Reaktors durch. 2002 wurde er Leiter Elektrotechnik und 2008 stellvertretender Kraftwerksleiter.
Zum Stilllegungs-Entscheid sagt Martin Saxer: «Ich hatte zwei Seelen in meiner Brust.» Einerseits tat ihm der Entscheid weh. Denn er kannte die Anlage wie seine eigene Hosentasche und wusste, dass die Betriebsmannschaft hervorragende Arbeit leistete. Andererseits war ihm klar, dass die Zeit reif war für einen Richtungswechsel. Damit waren grosse Herausforderungen verbunden. Martin Saxer entschied sich, sie anzunehmen.
Die BKW Familie bietet Chancen
Seither hat er eine wichtige neue Aufgabe: Seine Mannschaft durch den Wandel zu begleiten. «Für die meisten Mitarbeitenden war es ein Schock», erzählt Martin Saxer. Wichtig war ihm, auf sie zuzugehen, mit ihnen zu sprechen.
Die BKW hatte den Stilllegungs-Entscheid frühzeitig gefällt. Sie konnte die Mitarbeitenden schon früh auf die Zeit nach dem Abschalten vorbereiten. Für jeden und jede wurde ein Funktionsangebot ausgearbeitet. «Von rund 350 haben nur zwei abgelehnt», sagt dazu Martin Saxer und weiter: «Auch die wachsende BKW Familie bietet Chancen für unsere Mitarbeitenden.» So wurden 2015 verschiedene Ressorts aus dem Ingenieurbereich zu BKW Engineering überführt. Dort können sie ihre Kompetenzen, die dereinst im KKM weniger gefragt sein werden, langfristig einbringen. Per Anfang 2019 wechseln Mitarbeitende aus dem Zeichnungswesen mit dem gleichen Ziel zur BKW Tochter OSTAG.
Sichtbar und unsichtbare Veränderungen
Ein Jahr vor der endgültigen Einstellung des Leistungsbetriebs sind die Veränderungen im KKM immer deutlicher sichtbar: Anfang November ist das Projektteam Stilllegung vom Hauptsitz der BKW ins Kraftwerk gezogen, die Organisation wird nach und nach angepasst.
Doch es wird nicht bei den sichtbaren Veränderungen bleiben: Der Wechsel vom Leistungs- zum Rückbaubetrieb bringt einen Kulturwandel. An die Stelle von Standardprozessen treten einmalige Stilllegungsarbeiten. «Natürlich steht die Sicherheit weiterhin im Zentrum», so Martin Saxer, «aber es kommen neue Anforderungen dazu, wie beispielsweise die Flexibilität».
Die Mitarbeitenden darauf vorzubereiten, ist eine spannende Aufgabe, die Martin Saxer am Herzen liegt. Und seine Arbeit bleibt spannend. Für ihn ist klar: «Mit der Einstellung des Leistungsbetriebs hört der Wandel nicht auf, sondern beginnt erst so richtig. Ganz zu Ende sein wird er erst, wenn der nukleare Rückbau abgeschlossen und das Areal freigegeben ist.» 2031 also. 20 Jahre nach dem turbulenten Jahr 2011.
Mehr Menschen hinter der Stilllegung
- Adrian Schwab – vom Assistenten zum Chef-Logistiker
- Denis Ablondi – «Geht nicht gibt’s nicht»
- Frank Holzgrewe – der Mann für das Innerste des Reaktors
- Stephan Navert – ein Mann, der Mitarbeitende und Umwelt vor Radioaktivität schützt
- Markus Rufer – einer, der den Überblick behält
- Alexandra Reiche – eine Frau mit Kraftwerken im Blut
- Urs Amherd – einer, der nach vorne schaut
- Martin Saxer – der Captain einer Mannschaft im Wandel
- Silvan Maeder – ein gut vernetzter Zahlenmensch
- Andres Izquierdo – Fasziniert von der Kernenergie
- Joachim Dux – ein Mann für grosse Projekte
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